Erding habe "mit Brachialgewalt ihre Interessen durchgesetzt":Die Bahn wird kommen

Erding habe "mit Brachialgewalt ihre Interessen durchgesetzt": Links von den Häusern rauschen die Züge an Schwarzhölzl bald zweigleisig vorbei. Rechts soll nun auch noch die Walpertskirchener Spange entstehen.

Links von den Häusern rauschen die Züge an Schwarzhölzl bald zweigleisig vorbei. Rechts soll nun auch noch die Walpertskirchener Spange entstehen.

(Foto: Renate Schmidt)

Ungünstiger kann man wohl nicht wohnen: Die Menschen im Weiler Schwarzhölzl bei Bockhorn fürchten zwei Bahnprojekte direkt an ihren Häusern. Aber sie wehren sich

Von Mathias Weber, Bockhorn

Die Überraschung war groß, und viele haben den Kopf geschüttelt letzte Woche, als der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl wie aus dem Nichts eine interessante Pressemitteilung verschickt hatte. In der sprach er sich plötzlich für die Südeinschleifung der Walpertskirchener Spange aus und gegen die Nordeinschleifung der geplanten Bahnstrecke, auf der einmal der neue unterirdische Bahnhof in Erding mit der Bahnstrecke Richtung Dorfen verbunden werden soll. Die Erdinger Landtagsabgeordnete Ulrike Scharf wird zitiert mit den Worten, der Vorschlag sei "ein schlechter Scherz". Woanders ist man mit Magerls Vorstoß ganz und gar nicht unglücklich. In Bockhorn nämlich, auf dessen Flur der Großteil des eingleisigen Bahnkörpers entstehen soll und wo sich seit jeher eine Bürgerinitiative (BI) gegen den Bau der Spange wehrt.

Für "wichtig und richtig" hält Cristina Gräfin von Stackelberg von der Bürgerinitiative Magerls Vorschlag, "sehr positiv" sieht ihn der Bockhorner Bürgermeister Hans Schreiner (FWG). Die Gegner des Bahnprojektes freuen sich über die Unterstützung und schöpfen wieder Hoffnung, nachdem jahrelang kaum mehr über die Spange gesprochen worden war und es beschlossen schien, dass die Strecke von Südostbayern zum Flughafen über Bockhorner Gebiet laufen wird. "Die Nordeinführungsvariante wird (...) für die Genehmigungsplanung als vorzugswürdig weiterverfolgt", heißt es aus dem Innenministerium, das das Projekt plant. Der Grund: Erdings Interessen der Stadtplanung.

Hans Handel kann sich darüber sehr aufregen. Handel, der Mitglied ist in der Bürgerinitiative gegen die Walpertskirchener Spange, sagt, dass die Stadt Erding "mit Brachialgewalt ihre Interessen durchgesetzt" habe. Die Bürger in der Peripherie, am Land, die habe man aber vergessen. Handel und seine BI-Kollegin Stackelberg sind besonders betroffen. Sie wohnen im Weiler Schwarzhölzl: neun Häuser, 15 bis 20 Einwohner, direkt an der Bahnlinie von München nach Mühldorf. Ihr Wohnort könnte ungünstiger nicht liegen: Den Bewohnern steht zum einen in einigen Jahren im Süden der zweigleisige Ausbau der Strecke nach Mühldorf bevor, und dann kommt später irgendwann auch noch die Walpertskirchener Spange. Sie soll gut 500 Meter vor Schwarzhölzl auf Lengdorfer Gebiet beginnen und wird nördlich des kleinen Ortes nach Erding weitergeführt. Wie es mit dem Lärmschutz für beide Projekte aussieht, das ist noch vollkommen offen.

Die meisten der gut 40 Mitglieder der Bürgerinitiative sind persönlich betroffen, leben zum Beispiel an einem der Weiler entlang der Strecke. Dass die Kritiker der Strecke "ein relativ kleines Grüppchen" seien, das muss auch Bockhorns Bürgermeister Schreiner zugeben. Er selbst ist Mitglied der BI, als Vertreter der Gemeinde. Bockhorn hat sich seit Beginn der Planungen gegen die Walpertskirchener Spange ausgesprochen. Die Stimmung in der Bürgerinitiative selbst sei "sehr besorgt, aber wir sind bereit zu kämpfen", sagt er. Nach wie vor werden Politiker angeschrieben und nach Schwarzhölzl eingeladen; viele waren schon da, auch Christian Magerl. Man vernetzt sich mit anderen kleinen Bürgerinitiativen in ganz Deutschland und schmiedet Pläne, wie eine alternative Trassenführung aus Südostbayern zum Flughafen - was die BI grundsätzlich sinnvoll findet - aussehen könnte. Magerl hat sich vergangene Woche für die Südeinschleifung ausgesprochen, also eine Verbindung zwischen der bestehenden Bahnstrecke bei Wörth und der S-Bahnstrecke vor Aufhausen. Die BI geht aber noch einen Schritt weiter: Sie fordert, dass die Züge aus Südostbayern bis nach Markt Schwaben fahren und dann dort über eine Kurve - analog zur im Bau befindlichen Neufahrner Kurve bei Freising - Richtung Erding gleiten. Weniger Flächenverbrauch, geringere Kosten, aber auch längere Fahrtzeiten würde das bedeuten, so die BI.

In Bockhorn herrscht im Moment das Gefühl, dass man nun handeln muss, jetzt sei der richtige Zeitung, bevor mit einem Planfeststellungsverfahren Fakten geschaffen werden. Man wehrt sich wo möglich: Die Bürgerinitiative bündelt die Interessen der Grundstückseigentümer, sagt Bürgermeister Schreiner. Derzeit schaue man sich um nach einem Anwalt, der die Eigentümer gegenüber der Bahn vertreten kann. Würde es einmal zu einem Verkauf der Grundstücke kommen, es würde sich wohl lohnen für die Eigentümer. Aber das, zeigt sich Schreiner überzeugt, spiele keine Rolle in Bockhorn. "Um des Geldes Willen verkauft da keiner", sagt er. Überhaupt, das Geld: Daran, hofft man in Bockhorn, könnte das ganze Projekt noch scheitern. Wenn all die Millionen für die zweite Stammstrecke und den Erdinger Ringschluss ausgegeben sind und am Ende für die Walpertskirchener Spange nichts mehr übrig bleibt.

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