Erding:Fußstapfen zum Soldatenfriedhof

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Schülerinnen von Heilig Blut beschäftigen sich mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs

Von Tanja Kunesch, Erding

Ein Pfad schlängelt sich am Boden der Mädchenrealschule Heilig Blut in Erding. Er ist umsäumt von Steinen, auf denen verschiedene Namen geschrieben sind. Rote Fußabdrücke, zunächst noch kräftig dann zunehmend verblasst führen zu einem großen Stein am Ende des Weges, durchstoßen von vielen Kreuzen.

Marlene Haidn, Emily Holley, Alida Beck und Marie Kurzbuch haben den Weg mitaufgebaut. Jeder Stein soll ein verstorbenes oder vermisstes Familienmitglied repräsentieren. Die Fußstapfen sollen verdeutlichen, dass der Zweite Weltkrieg immer mehr Opfer gefordert hat, bis er an seinem Ende am 8. Mai 1945 in einen regelrechten "Soldatenfriedhof" mündet.

Seit Ostern haben sich Schülerinnen der achten Klassen intensiv mit dem Kriegsende vor siebzig Jahren befasst. Ihre Ergebnisse sind seit dem 8. Mai in den Räumen der Schule zu sehen. Dort sind mehrere Stellwände aufgebaut mit Hintergrundinformationen zum Zweiten Weltkrieg und Adolf Hitlers Lebenslauf. Auch Bilder vom zerstörten Gasthof Mayr-Wirt und dem Schrannenplatz in Erding sind dort zu finden, genauso wie eine Darstellung der Lebensbedingungen der Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg.

Steine als Symbol der Dauerhaftigkeit sollen die getöteten und vermissten Menschen repräsentieren. (Foto: Renate Schmidt)

"Es war uns wichtig, auch die Einzelschicksale der Alltagsmenschen herauszustellen, und nicht nur die viel gefeierten Personen. Die ganze Bevölkerung war vom Krieg betroffen, es gab nicht nur jüdische Opfer", sagt Angela Graßl aus der Fachschaft Geschichte. So hat sich eine Gruppe mit persönlichen Familienschicksalen beschäftigt. Deren Geschichten haben sie in Form von verschiedenfarbigen Fußabdrücken auf den Boden des Hauptgangs der Schule geklebt. "Es hat richtig Spaß gemacht, sich darüber zu informieren", sagt Eva Helmig. Fast jeden Abend habe sie dafür mit ihrem Opa telefoniert. Auch dass die Geschichten in Form von Fußabdrücken dargestellt werden, finden die Schülerinnen ziemlich "cool". "Irgendwie passt das, weil wir ja in deren Fußstapfen treten, und das nachverfolgen, was damals passiert ist". Schön fanden sie, dass bei aller Tragik auch Geschichten dabei waren, die wie eine Liebesgeschichte aus Hollywood anmuten oder einem zum Schmunzeln bringen. Svenja Harling erzählt von ihrem Uropa Arnold Retzlaff. Ursprünglich als Zahnarzt tätig, half er einem russischen Sergeant im Krieg. Zum Dank wollte dieser ihm ein Pferd schenken, und stand damit vor Retzlaffs Wohnungstür - im ersten Stock.

Als sogenannte Stolpersteine sind viele solcher Biografien unübersehbar im ganzen Schulhaus verteilt. "Ich bin erstaunt, wie viele persönliche Geschichten zu erzählen hatten", sagt Birgit Kirschner, Leiterin der Fachschaft Geschichte. Der Eifer, mit denen sich viele Schülerinnen in die Recherche gestürzt haben, verwundert sie nicht: "Sehr viele sind am Zweiten Weltkrieg interessiert, auch wenn der Lehrplan ihn erst ab der neunten Klasse vorsieht."

Über die Geschichte des Zahnarzts Arnold Retzlaff mussten die Schülerinnen einfach stolpern. (Foto: Renate Schmidt)

Für Ronja Schmidtner und Suzanna Hoph ist das eines ihrer liebsten Themen in der Schule. Sie waren Ende März bei dem Zeitzeugengespräch mit Maria Theresia Gebhard, deren Eltern die Jüdin Elfriede Seitz versteckt hatten und dafür mit der Auszeichnung "Gerechte unter den Völkern" geehrt wurden. "Es ist zwar immer dasselbe, aber trotzdem erfährt man immer wieder etwas Neues, Schockierendes. Ich krieg immer noch jedes Mal Gänsehaut", sagt Ronja.

Unbeschreiblich nannte es die Zehntklässlerin Theresa Neumeier in ihrer Rede zur Ausstellungseröffnung: "Es gibt keine Worte, die das Leid dieses Krieges nur annähernd beschreiben könnten. Deshalb müssen wir alle dazu beitragen, dass sich so ein furchtbares Ereignis nie mehr wiederholt". Bis zwei Wochen nach den Pfingstferien soll die Ausstellung noch in der Mädchenrealschule zu sehen sein.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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