Erding:Ein Käfer ist kein Magnet

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Bei der Jahreshauptversammlung der Freunde der Stadt Erding geht es um die Pläne für das Gewerbegebiet West

Von Sebastian Fischer, Erding

Die Lage ist ernst: Die Zukunft der Großen Kreisstadt hängt an Schuhen und Pullovern. Präziser: Wo in Erding bald Schuhe und Pullover verkauft werden - und welche -, beschäftigt den Stadtrat seit geraumer Zeit. Im florierenden Gewerbegebiet West sind noch 25 000 Quadratmeter Verkaufsfläche zu vergeben. Die Verträge, die der Grundstückseigentümer abschließen wird, wirken sich auf die nicht ganz so florierende Erdinger Innenstadt aus - die könnte bald noch weniger florieren. Deshalb versprach der Montagabend einen Erkenntnisgewinn: Der Grundstückseigentümer hatte sich angekündigt, um seine Pläne zu präsentieren.

Der Verein der Freunde der Stadt Erding wollte bei seiner Jahreshauptversammlung nicht nur einen neuen Vorstand wählen, sondern auch den Investor Robert Hübner zu seinen Mitgliedern sprechen lassen, Titel des Vortrags: "Wie viel Verkaufsflächen braucht und verträgt Erding?" Äußerungen des Unternehmers mit Immobilienbesitz von München bis Berlin sind in der Sache rar, zumal vor einem Verein zur Wahrung kommunaler Belange, aus dem einst die Fraktion der Unabhängigen Freien Wähler Erding hervorging (UWE), der im Stadtrat viele Kritiker des Wachstums im Gewerbegebiet angehören. Deshalb schauten die Gäste im holzvertäfelten Sitzungssaal des Mayr-Wirt gespannt zum Pult - und dann ließ sich Hübner entschuldigen: Grippe.

Stellvertretend sprach sein Mitarbeiter Markus Ohneis, dessen Äußerungen in der Sache nicht ganz so rar sind. Er berichtete von der langen Tradition der Firma und von der Gewissenhaftigkeit, mit der sie nach neuen Mietern suchen würden, nach Besuchermagneten, von denen auch die Innenstadt profitieren könne.

Ursprünglich war von der RH-Unternehmensgruppe einmal ein Globus-Markt als Magnet angedacht, die Stadträte wehrten sich. Deshalb bekräftigte Hübner, dass im mit der Stadt abgestimmten Plan nun keine Discounter vorkommen. Ein Käfer-Feinkostgeschäft sei denkbar, doch das "ist kein Frequenzbringer: Ein Käfer braucht Magnete." Ein Magnet ist im Verständnis der Planer zum Beispiel H&M. Doch H&M, versicherte Ohneis, würde nicht ins Gewerbegebiet wollen, sondern in die Innenstadt, und das sei das eigentliche Problem: "In der Innenstadt gibt es keine geeigneten Flächen." Weder für Lebensmittelläden, noch für Textilgeschäfte. Die Erdinger Einzelhändler müssten sich Gedanken machen, wie man Flächen schaffen könne, zum Beispiel durch Zusammenschlüsse. Im Publikum schaute Gewandhaus-Eigentümer Hugo Gruber, als trete ihm jemand auf den Fuß.

Als Ohneis fertig war, stellte Rainer Mehringer (UWE) die durchaus berechtigte Frage, wer denn jetzt die Magneten seien, die im Gewerbegebiet einziehen? Nun ja, sagte Ohneis, das dürfe leider nur sein Chef sagen. Grummeln im Saal.

Später beschloss Johanna Heindl (UWE), die Altbürgermeister Karl-Heinz Bauernfeind (UWE) nach 37 Jahren als Vereinsvorstand ablöst, den Abend. Bauernfeind hatte zuvor ein versöhnliches Fazit gezogen: "Die Lage in der Innenstadt immerzu schlechtzureden, bringt gar nichts." Also: Die Lage ist vielleicht doch nicht so ernst.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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