Erding:"Ein bitterer Tag"

Lesezeit: 3 min

Öfter mal was Neues: Die Ergebnisse der Europawahl wirbeln auch in Erding die Politik durcheinander. Auch hier wird man sich nun mit einer neuen Kraft auseinandersetzen müssen

Von Mathias Weber

An sich ist das ja nicht schlecht: Sieht man sich die Wahlbeteiligung bei der Europawahl am vergangenen Sonntag an, liegt der Landkreis Erding auf Platz 14 von den Wahlkreisen in Deutschland mit der höchsten Wahlbeteiligung: Zwischen dem Werra-Meißner-Kreis in Hessen und Neuburg-Schrobenhausen nördlich von München. Allerdings: Berauschend ist die Wahlbeteiligung mit 42,3 Prozent auch nicht. In der Stadt Erding beispielsweise sind nur 36 Prozent der Menschen zur Wahl gegangen. Insgesamt haben im Landkreis 40 820 Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben - mehr als 95 000 Menschen waren stimmberechtigt. Doch jenseits der Frage nach der Wahlbeteiligung hat die Europawahl interessante Ergebnisse hervorgebracht, die nicht nur bundesweit die Parteien durchschütteln, sondern auch die in Erding. Die CSU musste wieder starke Verluste hinnehmen: Nachdem sie bereits 2009 im Vergleich zur Europawahl zuvor fast zehn Prozent verloren hatte, ging der Stimmenanteil noch einmal um 7,7 Prozent zurück - für die CSU im Landkreis eine ungewohnte Tatsache, hat sie doch bei den vergangenen Wahlen stets herausragende Ergebnisse eingefahren.

Zu den Siegern der Wahl gehört hingegen die SPD: 14,4 Prozent hat sie erreicht, das sind fast sechs Prozent mehr als noch 2009. Die größte Überraschung aber liefert die Alternative für Deutschland (AfD), die, dem Bundestrend folgend, 9,16 Prozent der Stimmen eingefahren hat. Und das im ganzen Landkreis: In fast jeder Gemeinde kommt die AfD auf ein Ergebnis von mehr als fünf Prozent. Am besten schneidet sie in Buch am Buchrain mit 12,9 Prozent ab. Es folgen Moosinning und Neuching mit mehr als elf Prozent. Nur im Holzland ist die AfD schwach: In Steinkirchen erlangt sie nur 4,4 Prozent. Das sind genau 15 Stimmen. Das Erdinger Gesicht der AfD ist Steffen Schäfer. Der Isener hat bei der vergangenen Bundestagswahl für die Partei kandidiert. "Natürlich freue ich mich", sagt er, "das ist eine Verdopplung des Bundestagsergebnis." Die Europakritik der Partei habe man "glaubhaft vertreten", es seien "Themen, die wirklich brennen." Im vergangenen Jahr sei die AfD mit 40 Mitgliedern im Bereich Erding-Ebersberg gestartet, jetzt habe sie schon doppelt so viele Mitglieder. Schäfer selbst ist überzeugter Europäer, die Idee eines vereinten Europa findet er gut. Die Umsetzung allerdings nicht so, er stellt sich hinter die Kritik der Bundespartei. Er kritisiert auch die Berichterstattung über die AfD in den Medien: So rechtspopulistisch, wie immer behauptet werde, sei die Partei nicht. Eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der britischen UKIP und dem französischen Front National ist für ihn undenkbar. Der Schock über den Erfolg der AfD und der eigene Stimmenverlust steckt den Erdinger CSU-Politikern in den Knochen. Der CSU-Kreisvorsitzende und Landrat Martin Bayerstorfer verhehlt seine bedrückte Stimmung nicht, "ich bin überhaupt nicht zufrieden", sagt er. Und Landtagsabgeordnete Ulrike Scharf sagt: "Es ist ein bitterer Tag, eine bittere Niederlage." Beide üben Selbstkritik. Man habe Wähler und Partei nicht genug mobilisiert, sagt Bayerstorfer, und die geringe Wahlbeteiligung benachteilige die etablierten Parteien. "Aber das ist keine Entschuldigung." Aber wie geht man nun mit der neuen Partei rechts der CSU um? Während Bayerstorfer nicht an einen nachhaltigen Erfolg der AfD glaubt und ihre Stärke auf die besonderen Umstände der Europawahl zurückführt, äußert sich Scharf vorsichtiger: Man müsse analysieren, wo die Partei stehe. "Ich halte es für absolut notwendig, die Partei unter die Lupe zu nehmen." Klare Worte findet Helga Stieglmeier. Die Grünen-Politikerin ist recht zufrieden mit dem Wahlergebnis, man ist mit 11,3 Prozent drittstärkste Kraft im Landkreis geblieben. Verschmerzbare 0,8 Prozent hat man verloren. Sie findet es allerdings erschreckend, dass man mit rechtspopulistischen Äußerungen so einen Erfolg haben könne. Sie wirft die AfD gleich mit anderen Parteien weit rechts von der Mitte in einen Korb:"Die Rechten haben zehn Prozent der Stimmen, wenn man Parteien wie die Republikaner dazuzählt." Mit der NPD würde "sogar ein Nazi" in das Europa-Parlament einziehen. Auch Stieglmeier wird ob des Wahlergebnisses nachdenklich. "Das ist ein Wink", sagt sie. "Wir müssen uns alle Gedanken machen, warum die AfD so stark geworden ist."

© SZ vom 27.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: