Erding:Ehrlich verdienter Respekt

Lesezeit: 3 min

Jessica Hammerl und Sophie Kratzer haben ihre ersten Schritte im Eishockey beim TSV Erding und beim ESC Dorfen gemacht - jetzt haben sie mit der Nationalmannschaft in Ottawa den fünften Platz erobert

Alisa Schmitz

Nach dem Spiel um den fünften Platz: Die deutschen Frauen sind glücklich und erleichtert, dass sie die beste Platzierung seit 2005 geholt haben. Auch in der Kabine sei das Grinsen nicht aus den Gesichtern gewichen, erzählt Sophie Kratzer (fünfte von rechts). (Foto: N/A)

Erding/Ottawa Zuhause. Nach zweieinhalb Wochen Eishockey-Weltmeisterschaft ist das erste, woran Sophie Kratzer denkt, ihr Arzttermin. "Meine Ankunft aus Kanada hat gleich mit dem Besuch beim Anästhesisten begonnen. Am Donnerstag früh landete der Flieger, es ging dann direkt ins Krankenhaus und am Freitag wurde ich dann endlich vom Metall in meinem Bein befreit", erklärt sie erleichtert. Das die sie bei diesem Sport nicht zimperlich sein darf, hat die Mittelstürmerin bereits am eigenen Leib erfahren müssen. Vergangenes Jahr hatte sie sich bei einem Spiel das Wadenbein gebrochen und spielte seit dem mit allerlei Schrauben und Metallplatten im Bein. Ob das nicht schmerzen würde? "Klar, das hat schon wehgetan. Da musste ich eben mit Schmerzmittel spielen." Und das war kein Problem? Nein, das sei alles in Absprache mit Ärzten und dem Trainer entschieden worden.

"Eishockey ist eben nicht nur der schnellste Sport, wie man so schön sagt, sondern auch einer der härtesten", erklärt Jessica Hammerl. Die Nationalspielerin hat sich zusammen mit Sophie und dem restlichen Team den fünften Platz bei der Frauen Eishockey Weltmeisterschaft in Ottawa erkämpft. Sie ist zufrieden mit sich, ihrer Leistung und der Platzierung. Mit vier Jahren stand die gebürtige Landshuterin das erste Mal auf dem Eis. "Es ist einfach ein tolles Gefühl, diesen Sport zu leben. Ich mag die Schnelligkeit und auch den Körperkontakt", sie lacht ein wenig verlegen. Ihre ersten wackligen Schritte auf dem Eis unternahm die 24-jährige Jessica beim TSV Erding, die 23-jährige Sophie beim ESC Dorfen.

Die Gedanken, sie kreisen noch, die zweieinhalb Wochen Weltmeisterschaft haben sichtliche Spuren hinterlassen. "Man muss erstmal wieder klarkommen, sich in den Alltag und vor allem wieder ins Studium einfinden. Der Kopf kommt immer erst ein bisschen später an", sagt Jessica und lacht. Sie ist die einzige in ihrem Freundeskreis, die Eishockey spielt. Zu Beginn sei das immer eine Überraschung für die meisten Leute, die sie neu kennelernen. "Alle erwarten immer von Eishockeyspielerinnen, dass sie eine Art, nun ja, Mannsweib seien. Die sind dann regelrecht schockiert, wenn man dann einen normalen, weiblichen Körperbau hat." In Deutschland gibt es keine Frauen-Eishockey-Mannschaften für junge Mädchen. Deshalb spielten Jessica Hammerl und Sophie Kratzer, bis sie in die Pubertät kamen, bei den Jungs mit. Im Alter von 14 Jahren wechselten sie zum ESC Planegg, spielen dank Doppellizenz aber noch ab und zu für die alten Vereine. Wer sich schon in jungen Jahren durchsetzen muss, lernt zu kämpfen. "Es war nicht immer leicht, dass geb' ich zu. Ein Trainer sagte mal zu mir, er setze lieber einen schlechten Jungen ein, als ein Mädchen. Klar zehrt das am Selbstbewusstsein", erinnert sich Jessica. Aber aufgeben war nie eine Option, dazu liebe sie den Sport zu sehr.

In Kanada kennt man diese Probleme nicht. Im Mutterland des Eishockeys sind Frauen-Mannschaften so selbstverständlich wie der Männer-Fußball hierzulande. "Die Leute haben uns auf der Straße angesprochen, uns viel Erfolg und Glück gewünscht. Das sind wir gar nicht gewohnt", erzählt Sophie begeistert. Die Offenheit der Kanadier habe sie beeindruckt, ebenso die Hauptstadt Ottawa. Die wenigen freien Stunden nutzten die Spielerinnen um sich die eher provinzähnliche Stadt anzuschauen. Viel Kontakt zu den anderen Mannschaften gab es nicht. "Ich habe eine Freundin, die in der russischen Nationalmannschaft spielt. Mit der habe ich dann endlich mal einen Kaffee trinken können, wir hatten uns schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen", erinnert sich Sophie. Über was man da so spreche? "Wir kommen dann vom Hundertsten ins Tausendste. Klar, wir reden auch über Spieltaktiken und Eishockey, aber auch über privates wird geplaudert."

Und dann kam es, das Highlight der Eishockey-WM. Mit entschlossenem Schritt und eisernem Willen betraten die Spielerinnen das Eis der Königsklasse, der NHL-Arena. Mehr als zehntausend Augen starrten gebannt auf die deutschen Frauen, als das Spiel um den Platz fünf begann. "Als dann am Ende die Sirene ertönte, kreisten eigentlich nur zwei Dinge durch meinen Kopf: Freude und Erleichterung". Der fünfte Platz sei für die beiden Studentinnen das Sahnehäubchen auf dem Trip nach Kanada gewesen. "Neben der guten Platzierung und dem Sport, war auch einfach die Anerkennung und der Respekt, den die Kanadier dem Frauen-Eishockey entgegenbringen, das, was ich am meisten in Erinnerung behalten werde", schwärmt Jessica. In Deutschland müsse man sich diesen Respekt erst erspielen.

Zurück in der Heimat geht es allerdings direkt weiter. "Ich kümmere mich jetzt erst einmal um die Genesung von meinem Bein, aber Mitte Mai geht das Training schon wieder los", erzählt Sophie. Denn nach der WM heißt in diesem Fall vor Olympia. Die Qualifizierung haben sie sich bereits im vergangenen Februar erspielt. Ob sie aber zum ausgewählten Kader gehören, wird sich erst noch zeigen: "Es gibt immer etwas zu verbessern und zu optimieren. Deswegen müssen wir direkt weiter trainieren, damit wir uns unseren nächsten Traum, Teil der olympischen Spiele zu sein, erfüllen können."

© SZ vom 18.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: