Erding:Bevor Essen zu Müll wird

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Zwei Tonnen Lebensmittel erhalten die Tafelläden in Erding, Dorfen und Taufkirchen jede Woche - in einwandfreier Qualität

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Bis unter die Decke stapeln sich die Brotlaibe in der Lagerhalle einer Wiener Mülldeponie. Über ein Fließband kommen zahlreiche Blechladungen hinterher. Mit Bildern wie diesen machte der Dokumentarfilm "We feed the world" bereits vor zehn Jahren auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam. 158 000 Tonnen davon landen jedes Jahr im Müll bayerischer Wirtshäuser, Kantinen, Schulen und öffentlicher Einrichtungen. Das geht aus einer 2015 veröffentlichten Studie des Bayerischen Ernährungsministeriums hervor. Die Erdinger SZ hat sich bei einzelnen Betrieben im Landkreis umgehört, wie sie mit dem Überschuss umgehen.

Laut Studie ließen sich im Freistaat jedes Jahr etwa 1,3 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle vermeiden. Den größten Anteil hätten Privathaushalte mit durchschnittlich 65 Kilogramm pro Kopf. "Mir ist es zuwider, wenn Essen weggeworfen wird", sagt Wilhelm Kampe, der Inhaber des Erdinger Hotels Kastanienhof. Seit Jahren verzichte man in seinem Restaurant auf vorgekochtes Essen und bereite jede bestellte Portion einzeln zu, sodass Abfälle als Folge einer Überproduktion gar nicht erst entstünden. Verderbliches wie Gemüse und Fleisch werde zudem täglich eingekauft. "Wenn mal eine Kiste Obst zu viel bestellt wurde, nimmt die unser Händler am nächsten Tag wieder mit", sagt Kampe. Ganz vermeiden lassen sich Speisereste freilich nicht. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Menge im Kastanienhof deutlich reduziert. Von einst 15 bis 18 großen Mülltonnen im Monat sei etwas mehr als eine pro Woche übrig geblieben.

Auf flexible Lieferanten, Erfahrung und kreatives Personal setzt Andreas Mayr in seinem Gasthaus in der Haager Straße. "Wir haben 27 Jahre Erfahrung im Einkauf und werden täglich so beliefert, dass es passt." Außerdem zeichne es einen guten Koch aus, dass Reste nicht alt würden. "Aus ein bis zwei Tage alten Knödeln kann man noch wunderbar geröstete Knödel machen", sagt Mayr.

Wenn in einem Betrieb dennoch mal zu viel gekocht wurde oder Semmeln am Frühstücksbuffet unangetastet bleiben, dürfen Wirte die Reste aber nicht einfach so abgeben. Strikte Hygiene- und Lebensmittelvorschriften verhindern das. "Alles, was einmal beim Gast war, muss entsorgt werden", sagt Frank-Ulrich John vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband. Vor Jahren habe man den Abfall zum Teil noch an Schweine verfüttert, das verbiete jedoch seit November 2006 eine Verordnung der EU. Anders verhält es sich mit Einkäufen, die am Ende doch nicht benötigt werden. Unter Auflagen bei der Lagerung und der Kühlung könnten Betriebe den Überschuss an soziale Einrichtungen geben, sagt John. Im Bereich der Taufkirchner Tafel komme das gelegentlich auch vor, bestätigt Christine Schick. Etwa zwei Tonnen Lebensmittel, die sonst im Müll landeten, erhalten die Tafelläden in Erding, Dorfen und Taufkirchen jede Woche. "Eine Menge, die wir theoretisch täglich abholen könnten", sagt Schick. Bäckereien, Metzgereien, Schulen, Privatleute und Supermärkte beteiligen sich. Waren, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, dürfe man auch abgeben, sagt Petra Bauernfeind von der Erdinger Tafel, freilich aber nicht, ohne sie davor überprüft zu haben. Dennoch stellen nicht mehr alle Supermärkte Abgelaufenes zur Verfügung, selbst wenn es bedenkenlos wie eine Packung Nudeln wäre. "Wir müssten auch für diese Produkte noch die einwandfreie Qualität garantieren", sagt Andreas Krämer, Pressesprecher der Rewe-Gruppe. "Zudem sollen die Tafeln nicht unsere Müllentsorger sein."

Im Klinikum Erding versucht man die Verschwendung von Lebensmitteln mit einer möglichst genauen Planung anhand der Patientenzahlen zu vermeiden, so Pressesprecherin Daniela Fritzen. "Ganz exakt" gehe das aufgrund der Notfallpatienten natürlich nicht. Zwei Mal in der Woche holt eine Entsorgungsfirma den Biomüll ab, etwa zwölf Tonnen zu je 120 Liter. Aus den Resten vom Teller der Patienten wird am Ende Biogas.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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