Erding:Bayerischer Charme

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Persönlicher Kontakt, individuelle Beratung und literarischer Erfahrungsaustausch mit den Kunden - das möchte das Team um Eva-Maria Pucher (Mitte) und Angela Niestroy (rechts) bieten. (Foto: Renate Schmidt)

Die bekannte Kabarettistin Monika Gruber ist stille Teilhaberin des "Erdinger Lesezeichens". An diesem Samstag feiert die Buchhandlung ihren Tag der offenen Tür

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

In der Luft liegt ein dezenter Geruch nach frischem Holz, sanftes Licht durchflutet den Raum. An einem der vier Fenster, zwischen Krimis und Jugendromanen, lädt ein roter Ledersessel zum Schmökern ein. Es wirkt fast so wie in einem Wohnzimmer. Es ist aber die Buchhandlung "Erdinger Lesezeichen", die nach 13 Jahren Anfang Juli umgezogen ist - auf die andere Seite der Haager Straße in ein knapp achtzig Quadratmeter großes Quartier an der Ecke der Färbergasse. Frischer Wind kommt seitdem nicht nur von der Kastanie vor dem Haus, sondern auch die Geschäftsführung ist teilweise neu: Angela Niestroy und Olaf Eberhard unterstützen künftig Eva-Maria Pucher und Birgit Krinner. Stille Teilhaberin ist die deutschlandweit bekannte, im Landkreis Erding beheimatete Kabarettistin Monika Gruber. Bis vor wenigen Monaten war die Zukunft des Lesezeichens allerdings ungewiss.

"Der Charme einer kleinen Buchhandlung wie jene in Notting Hill hat mich inspiriert", sagt Olaf Eberhard, der Leiter der im Anne-Frank-Gymnasium untergebrachten Landkreisbibliothek. Anfang des Jahres teilte ihm Eva-Maria Pucher mit, dass das Lesezeichen vor dem Ende stehe. Das Haus, in dem es sich befand, sollte verkauft werden, und die bisherige Mitinhaberin Gabi Brunner hatte sich aus familiären Gründen zurückgezogen. "Ich kannte die Damen schon lange und wollte, dass der Laden weitergeht", sagt Eberhard. Er stieg selbst mit ein und erfüllte sich einen Kindheitstraum. "Er ist für uns eine Bereicherung, da er andere Sichtweisen einbringt", sagt Pucher und verrät, dass manche Herren beim Bücherkauf einen männlichen Rat bevorzugen würden.

"Es kann nicht sein, dass ein kleiner Laden schließen muss", habe die ehemalige Tanzlehrerin Angela Niestroy gedacht, als sie im Februar von der Situation des Lesezeichens erfuhr. "Spontan und etwas blauäugig" nahm sie Puchers Angebot einer Beteiligung am Laden an. "Angela Niestroy hat uns überzeugt, nicht aufzugeben, und uns sprichwörtlich in die neuen Räume hineingezogen", sagt Pucher. Eigentlich wollte Pucher schon aufhören, doch Niestroy und Birgit Krinner hielten am Geschäft fest. Mit Erfolg. Denn auch eine langjährige Kundin sagte ihre Unterstützung zu: die Kabarettistin Monika Gruber.

Ihre Entscheidung sei "sehr impulsiv und spontan" gefallen, schreibt Gruber in einer E-Mail, als sie erfahren habe, dass es "ohne eine kleine Finanzspritze" schwer werden würde, den Laden weiterzuführen. Sie wolle nicht, dass Erding "irgendwann ein unpersönliches Tohuwabohu von Handyläden, Banken, Mode- und Drogerieketten und Plastik-Backshops wird". Es gelte den "persönlichen und bayerischen Charme einer Kleinstadt" zu erhalten. Zudem hätte sie ihr Geld "schon in weniger sinnvolle Dinge als in einen Buchladen" investiert. Das Lesezeichen versteht sich als eine Beratungsbuchhandlung, die auf persönlichen Kontakt und literarischen Erfahrungsaustausch mit seinen Kunden setzt - "unser Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus dem Internet", sagt Eberhard. Ein weiterer Aspekt sind die kürzeren Lieferzeiten als bei Online-Bestellungen. Nicht jeder wisse, dass man ein am Abend bestelltes Buch häufig am kommenden Tag in der Buchhandlung abholen könne. Mit seinem Engagement will Eberhard die Lesekultur in Erding fördern. "Wer weiß, vielleicht sind wir eines Tages ein soziales Zentrum". Niestroy möchte "ein wenig wachrütteln". Sie hege den "innigen Wunsch", dass die Menschen nachdenken, bevor sie einen "schnellen Klick" machten. "Ob mir das gelingt, weiß ich nicht."

Am Anfang war Pucher skeptisch, ob der Neubeginn auf der anderen Seite gelingen würde. Mittlerweile schwärmt sie von den neuen, leiseren Räumen, dem "italienischen Flair" dank der eigenen Espressobar neben der Ladentheke und der Bank unter der Kastanie. "Man darf auch gern mal auf einen Ratsch und einen Espresso vorbeikommen, ohne etwas kaufen zu müssen. Und das muss uns der Herr Amazon erst mal nachmachen", schreibt Monika Gruber.

An diesem Samstag feiert das Erdinger Lesezeichen seinen Tag der offenen Tür. Um 11, 13 und 15 Uhr gibt es Lesungen für Kinder und Erwachsene, die ersten 50 Besucher erhalten eine "Überraschungs-Lesetasche".

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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