Elf statt geforderte fünf Prozent:Voller Einsatz auch mit Handikap

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Armin Strasser arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren in der IT-Abteilung des Flughafens. (Foto: Marco Einfeldt)

Bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten liegt die Flughafen München GmbH deutlich über der gesetzlichen Quote

Von Laura Dahmer, Flughafen

Inklusion ist am Flughafen München ein wichtiges Thema. Das Unternehmen bemüht sich, Menschen mit Behinderung die Arbeit zu erleichtern und sie zu normalisieren. Mit einer Schwerbehindertenquote von etwa elf Prozent liegt die FMG deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Anteil von fünf Prozent. Hinter dieser Entwicklung steht Willy Graßl, Leiter des Gesundheitsbereichs und Inklusionsbeauftragter. "Das Wort Schwerbehinderung ruft bei den meisten ein Bild hervor von einem arbeits- und praktisch lebensunfähigen Menschen. Bei Inklusion geht es darum, dieses Bild zu zerstören und zu verstehen: Jeder Mensch hat unterschiedliche Ressourcen und Fähigkeiten - man muss für jeden den richtigen Platz finden, diese einzusetzen", meint Graßl.

Und das beweist der Inklusionsbeauftragte selbst: Durch eine Erkrankung wurde Graßl schwerbehindert, er kann seiner Arbeit aber nachgehen wie zuvor. Und er unterstützt andere, zum Beispiel Armin Strasser. Strasser arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren in der IT-Abteilung des Flughafens, heute ist er Softwaretester und zuständig für Verkehrssysteme. Im Jahr 2006 erlitt er nach einem Unfall, bei dem er mit dem Kopf voraus in einen Lastwagen gefahren war, Tetraplegie, eine Form der Querschnittslähmung, von der alle vier Gliedmaßen betroffen sind. Er kann Arme und Oberkörper zwar bewegen, hat aber keine Handfunktion mehr. Nach eineinhalb Jahren Krankenhaus und Reha kehrte er in seinen Beruf zurück. "Ich wollte so schnell wie möglich zurück ins normale Leben - soweit das eben möglich war", sagt Strasser. Die FMG half ihm dabei: Im gesamten Haus wurden automatische Türen eingebaut, für den Informationstechniker gibt es einen Zugang aus der Tiefgarage, damit er nicht durch die Drehtür am Haupteingang muss. Kommt man in sein Büro im fünften Stock, fällt einem als erstes das Bett in den Blick. "Das habe ich von der Krankenkasse bekommen", erklärt Strasser. Er nutzt es selten, ihn packt meist eher Bewegungsdrang: In der Ecke steht ein großer Punching Ball, auf dem Schreibtisch eine kleine Version. "Die brauch ich für zwischendurch, um meine Arme zu bewegen und Aggressionen abzubauen." Dass sich die Behindertentoilette im Erdgeschoss befindet, sieht der Techniker, der zehn Tage vor seinem Unfall einen Marathon lief, nicht als Belastung. "Sondern als Anlass, aus dem Büro herauszukommen und ein paar Meter zurückzulegen."

Auf dem Flughafengelände findet man Strasser nur zwei Tage die Woche. "Mein Arbeitgeber hat mir angeboten, den Rest der Woche Zuhause zu arbeiten. Das erspart mir einiges an Aufwand." Allein die Fahrt zum Büro kostet ihn viel Zeit: Wenn er morgens seine Wohnung in Augsburg verlässt, muss er zunächst in sein Auto kommen, in dem Strasser in seinem Rollstuhl hinter dem Steuer sitzt und mithilfe von Joysticks fahren kann. "Das gibt mir viel Selbständigkeit zurück."

Nicht nur der Weg zur Arbeit ist schwieriger geworden, die fehlende Funktion in seinen Händen macht seine Hauptbeschäftigung zur Herausforderung: das Tippen auf der Tastatur. Der Techniker hat aber eine Lösung gefunden: Er zieht sich eine metallene Klemme über den Handballen. An ihr befindet sich ein Stab mit Gummiaufsatz, mit dem er die Tasten bedienen kann - als Ersatz für seinen Zeigefinger. "Mittlerweile kann ich damit fast so schnell schreiben wie früher", sagt Strasser. Menschen wie Armin Strasser am Arbeitsplatz zu halten oder überhaupt einzustellen, sollte klar im Interesse der Unternehmen liegen, sagt Graßl. "Inklusion heißt nicht nur soziale Verantwortung übernehmen, sondern auch wirtschaftliche. Wir reden hier immerhin von Arbeitskräften, die sonst verloren gehen".

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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