Michael Mittermeier:Fuchsteufelswild im Herrenklo

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Für seine Mimik ist Michael Mittermeier bekannt. Ebenso für sein politisches Engagement, das er nur in leicht verträglicher Dosis zu erkennen gibt. (Foto: Christian Endt)

Der Dorfener Comedian testet im Alten Kino in Ebersberg sein neues Programm "Wild". Darin finden sich auch etliche Witze, die man so oder so ähnlich schon mal gehört hat. Dem Publikum gefällt es trotzdem

Von Christian Endt, Ebersberg

"Du schreibst und schreibst und schreibst", sagt Michael Mittermeier zu Beginn seines Auftritts. "Und du fragst dich: Ist das lustig? Man weiß es nicht." Dann verrät er eine große Comedy-Weisheit: "Lustig ist nur, wenn die Leute lachen." Wann die Leute lachen und wann nicht, das will Mittermeier an diesem Abend im Alten Kino in Ebersberg herausfinden. Er macht gerade eine sogenannte Try-Out-Tournee zu seinem neuen Programm "Wild". An 19 Abenden tritt er in kleinen Sälen auf und testet seine Gags, bevor die richtige Tour durch die großen Hallen losgeht. Am Donnerstag, 17. September, ist er auch im Jakobmayer in Dorfen, seiner Heimatstadt, zu Gast. Nur noch an der Abendkasse gibt es für diese Vorstellung noch ein paar Karten.

Man habe ja das Gefühl, erklärt Mittermeier den Namen des Programms, dass es immer wilder zugehe auf der Welt: Klimawandel, Kriege, Flüchtlinge. Was ihn aber besonders wild, ja sogar "fuchsteufelswild" mache, "das sind die kleinen Dinge". Er beschäftigt sich ausführlich mit Toilettenpapier, mit der Beleuchtung öffentlicher Toiletten und mit Begegnungen an der Kasse vom Hugendubel. Mittermeier ist ein begnadeter Beobachter solcher Alltagsszenen. Wie er diese auf der Bühne verarbeitet, ist lustig, aber banal. Oder banal, aber lustig - je nach Sichtweise.

Mittermeier ist schon lange im Geschäft, die Haare sind inzwischen grau. Man weiß also ungefähr, was man kriegt, wenn man hierher kommt. Nämlich Sätze wie: "Die Wikinger hatten kein Internet, aber die hatten Wikipedia." Gerade angesichts der langen Bühnenerfahrung verwundert es aber doch, dass sich der 49-Jährige zu Österreicher-Witzen hinreißen lässt. Die waren schon auserzählt, als Mittermeier noch im Landkreis Mühldorf sein Abitur machte. Und der Gag, den Stuttgarter Bahnhof unter die Erde zu verlegen sei, "wie wenn du sagst: Ich bau' jetzt einen Flughafen in Berlin - völlig absurd!", ist auch nicht mehr witzig. Erwartbar vom bekennenden Grünen-Wähler Mittermeier sind ein paar Seitenhiebe auf die CSU. Spannender war die Frage, wie er sich zur Flüchtlingsthematik äußert. Der studierte Politologe stand vergangenen Winter mehrmals auf der Bühne, als in München gegen die dortigen Pegida-Ableger demonstriert wurde. Im Alten Kino beschränkte er sich darauf, Fremdenfeinde als dumm hinzustellen. Damit liegt er ja nicht verkehrt, aber besonders originell ist es nicht, einen Nazi Kevin zu taufen und ihm zu raten, doch nach Syrien zu fahren, dort gebe es viel mehr Ausländer zu bekämpfen als hier. Es ehrt Mittermeier, dass er sich zum Thema positionieren will, zur Not auch mit mittelmäßigem Material. Wirkungsvoller wäre es, der Idiotie mit Geist und Witz entgegenzutreten. Unverständlich aber auch, warum Mittermeier sich an George W. Bush reibt. Der ist seit sechseinhalb Jahren nicht mehr Präsident der USA. Auf einem Staatsbesuch in Albanien sei Bush beim Bad in der Menge die Armbanduhr gestohlen worden. Was Mittermeier als Tatsache ausgibt, war allerdings schon 2007 nicht mehr als ein Gerücht, das US-Regierung und albanische Staatsanwälte umgehend dementierten. Wie ungenau darf es ein Comedian mit der Wahrheit nehmen?

Bushs Nachfolger findet über den G7-Gipfel in Krün ins Programm. Dort könne keiner Englisch, sodass auf Obamas "How are you" immer nur ein "Mia san mia" zurückgekommen sei. In seiner überzogenen Mimik lässt Mittermeier die Dorfpolitiker sprechen wie röhrenden Hirsche. Vom bayerischen Lebensmotto zieht er Parallelen zu Rene Descartes' "Ich denke, also bin ich" und kommt zum Schluss: "Der Bayer als einziges Volk auf der Welt braucht zum Sein kein Denken, der ist auch so." Die Leute lachen. Es ist lustig.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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