Im Luftverkehr:Bittere Blätter

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Über den Münchener Flughafen wird so viel Kat geschmuggelt wie noch nie. Die wenig bekannte Droge nimmt mittlerweile den Spitzenplatz ein: "2017 war die Steigerung exorbitant", sagt der Zoll

Von Thomas Daller, Flughafen

Kat ist eine Droge, die im Jemen, in Somalia, Äthiopien und Kenia angebaut wird. Es handelt sich um einen Strauch, dessen Blätter das Alkaloid Cathin enthalten, das aufputschend wirkt. In den Herkunftsländern ist der Konsum vor allem unter Männern weit verbreitet; die Blätter werden meist in geselliger Runde gekaut. Mit den Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea sind auch mehr potenzielle Konsumenten nach Bayern gekommen. Der Schmuggel über den Flughafen München hat nach Angaben des Hauptzollamtes "exorbitant" zugenommen. Bereits seit 2015 hat Kat mengenmäßig alle anderen Drogen überholt, die über den Flughafen München geschmuggelt werden. Die Zahlen für 2017 schlagen alle Rekorde.

Bis vor wenigen Jahren war Kat außerhalb von Ostafrika noch sehr wenig bekannt. 2013 wurden am Münchner Flughafen lediglich 15 Kilogramm beschlagnahmt, 2014 waren es 34 Kilogramm. 2015 wurden bereits 416 Kilogramm gefunden, 2016 ging die Zahl auf 167 Kilogramm zurück, um nun drastisch anzusteigen. Die genaue Zahl darf der Zoll noch nicht nennen. Diese Informationen werden erst preisgegeben, wenn das Bundesfinanzministerium, dem der Zoll unterstellt ist, im April den Jahresbericht veröffentlicht. Welche Größenordnung der Kat-Schmuggel mittlerweile angenommen hat, zeigt jedoch ein Blick zu den Nachbarn in der Schweiz: Am Züricher Flughafen wurden 2016 bei Reisenden 365 Kilogramm Kat beschlagnahmt, 2017 waren es 2110 Kilogramm. Damit hat sich die Zahl fast versechsfacht - und das innerhalb eines Jahres.

Auf einem Markt in Mogadischu arrangieren eine Mutter und ihre Tochter das geerntete Kat zu Bündeln. Vorwiegend auf dem Luftweg wird die Droge immer öfter illegal nach Europa eingeführt. Am Flughafen München ist die beschlagnahmte Schmuggelware 2017 exorbitant gestiegen. (Foto: REUTERS)

Kat ist die Droge von Migranten und taucht nach Angaben der Kriminalpolizei Erding in der lokalen Szene nicht auf. Die länglichen Blätter haben auch nicht das Zeug zu einer neuen In-Droge: Der Geschmack ist so bitter, dass die Droge so gut wie ausschließlich von Menschen aus den Herkunftsländern eingenommen wird, wo die Substanz als sozial akzeptierte Droge verbreitet ist. Beim stundenlangen Kauen werden die Stoffe Cathinon und Cathin über die Mundschleimhaut aufgenommen. Sie wirken stimulierend, der Rededrang erhöht sich, die Effekte sind ähnlich wie bei Amphetamin, mit denen sie chemisch verwandt sind. Der Konsum kann Psychosen und kognitive Störungen verursachen sowie zu Schlafstörungen führen. Die Volksdroge hat dem Jemen die weltweit höchste Rate an Mund-, Speiseröhren- und Zungenkrebs beschert, wobei noch nicht restlos geklärt ist, ob Kat dabei ursächlich ist oder die beim Anbau massenhaft verwendeten Pestizide.

Kat hat aus Sicht der Konsumenten und Dealer einen weiteren gravierenden Nachteil: Die Blätter müssen innerhalb weniger Tage frisch konsumiert werden, weil sie bereits drei bis vier Tage nach dem Pflücken ihren berauschenden Effekt verlieren. Ein lang andauernder Transport in einem Frachtcontainer auf dem Landweg oder zur See wäre sinnlos, daher konzentriert sich der Schmuggel auf die Flughäfen. Nach Angaben des Zolls kommen die Schmuggler vorwiegend aus Kenia und Äthiopien, meist mit einem Zwischenstopp in den Arabischen Emiraten.

Kat verliert schnell seine Wirkung. Deshalb werden die Bündel gerne im Luftverkehr geschmuggelt. (Foto: Flughafenpolizei)

Die Schmuggler wickeln Bündel der frischgepflückten Pflanze in feuchtes Küchenpapier oder Blätter von Bananenstauden und pressen so viele wie möglich in Rollkoffer. In den einzelnen Gepäckstücken befinden sich in der Regel zwischen 35 und 45 Kilogramm. Wenn sie in München ankommen, sind die Blätter oft schon erschlafft und müssen bald konsumiert werden. Noch weniger Wirkung haben sie, wenn München nur die Drehscheibe für den Weiterflug nach Skandinavien ist. Nachdem die skandinavischen Länder ebenfalls viele Flüchtlinge aus Ostafrika aufgenommen haben, hat sich auch dort ein Markt für die Droge gebildet. Weder dem Münchner Zoll noch der Erdinger Kriminalpolizei ist bekannt, welchen Straßenverkaufswert Kat hat. Gesichert ist jedoch, dass die Handelsspannen nur einen Bruchteil dessen erbringen, was im professionell organisierten Geschäft mit Cannabis oder Kokain erzielt wird.

Über die Hintermänner am Horn von Afrika ist nur so viel bekannt, dass lokale Warlords in Anbaugebieten mitverdienen und die islamistischen Al-Shabaab-Milizen den Handel im Süden Somalias kontrollieren. Die Erlöse aus dem Handel sollen daher auch eine Rolle bei der Finanzierung des islamischen Terrorismus spielen.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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