Diskussion über Integration:Zweierlei Maß

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Aktionsgruppe Asyl Erding veranstaltet ein Podiumsgespräch mit Barbara Stamm über Ausbildung und Arbeit für Flüchtlinge

Von Florian Tempel, Erding

Auf lokaler Ebene ist es aktuell das zentrale Thema in allen Helferkreisen: Die rigide Praxis bei der Genehmigung von Arbeits- und Ausbildungserlaubnissen verdammt viele Flüchtlinge zum Nichtstun. Statt einen Beruf erlernen oder ausüben zu dürfen, statt sich ein Leben aufbauen zu können, sind viele Flüchtlinge gezwungen, ihre Zeit in beengten Unterkünften zu verplempern. Das hängt auch vom Wohnort ab. In manchen Landkreisen werden fast alle Anträge auf Arbeits- oder Ausbildungserlaubnis von Asylbewerbern und sogenannten Geduldeten genehmigt, in anderen ist es eher die Ausnahmen. Nach Einschätzung des bayerischen Flüchtlingsrats gehörte etwa das Landratsamt Ebersberg zu den rigidesten Behörden in dieser Hinsicht, in seiner Hartleibigkeit nur vom Landratsamt Erding getoppt.

"Integration durch Ausbildung und Arbeit?" heißt der als Frage formulierte Titel eines Podiumsgesprächs, dass die Aktionsgruppe Asyl Erding (AGA) am Dienstag, 6. März, in der Montessori-Schule in Aufkirchen (Beginn: 19.30 Uhr) veranstaltet. Die prominenteste Diskutantin wird Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) sein, die auch Mitglied der Enquete-Kommission Integration ist. Stamms Kommen zum Podiumsgespräch ist gewissermaßen ein Gegenbesuch. Ende November hatte sie mehr als 300 Asylhelfer aus ganz Bayern ins Maximilianeum eingeladen, um mit ihnen über die bayerische Flüchtlingspolitik zu diskutieren. Die AGA-Vertreterinnen Maria Brand und Susanna Nadler nutzten damals die Gelegenheit und übergaben Stamm eine von 662 Unterzeichnern aus dem Landkreis unterstützte Petition mit "der dringenden Bitte um Überprüfung und Beendigung" der restriktiven Behördenpraxis bei den Arbeits- und Ausbildungsgenehmigungen.

Neben Stamm sind weitere Fachleute für eingeladen: Christof Prechtl von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, dort Leiter der Abteilung Bildung und Integration; Amelie Schneider, Bildungs-Fachberaterin der Handwerkskammer München-Oberbayern; Martin Deinzer vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, der das Nürnberger Projekt "Start-ab!" leitet, das junge Flüchtlinge in Ausbildung oder Arbeit unterstützt; Michael Stenger, Gründer und Geschäftsführer der Schlau-Schule München für unbegleitete minderjährige und junge Flüchtlinge; Hubert Heinhold, Fachanwalt für Asyl- und Ausländerrecht und Verfasser zahlreicher Schriften zum Asylrecht.

In der Einladung zum Podiumsgespräch werden zwei Themenkreise genannt, die gleichermaßen beleuchtet werden sollen: die politischen Hintergründe, die rechtlichen Gesichtspunkte und die Bewertung der Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft. Darüber hinaus soll aber auch gezeigt werden, wie Projekte zur Ausbildungsförderung von jungen Flüchtlingen erfolgreiche Integration sind. Konkrete Fälle, in denen jungen Flüchtlingen eine Ausbildung versagt wurde, kennt man wohl in jedem Helferkreis. Brand nennt beispielhaft den eines jungen Afghanen, der vor vier Jahren als Minderjähriger nach Bayern kam und bald die Integrationsklasse an der Berufsschule abschließen wird. Nach einem Praktikum habe er eine feste Zusage für eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gehabt - und trotz allem keine Erlaubnis vom Landratsamt Erding erhalten. In Ebersberg hätte er nun bessere Chance. Der dortige Landrat Robert Niedergesäß (CSU) hat angekündigt, niedrigere Hürden für Arbeits- oder Ausbildungserlaubnisse anzusetzen. Niedergesäß reagierte damit auf Kritik an der Praxis seiner Behörde, sagte aber auch, er tue es aus Überzeugung: "Die Betroffenen müssen nicht die ganze Zeit in der Unterkunft sitzen, sie können ihre Zeit sinnvoll verbringen. Die Betriebe profitieren, weil sie die Arbeitskräfte brauchen."

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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