Diskussion:Man versteht sich

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Saßen bereits die vergangenen vier Jahre im Bundestag: Ewald Schurer (links) und Andreas Lenz (rechts mit Mikrofon). (Foto: Stephan Goerlich)

Die Direktkandidaten des Wahlkreises debattieren über soziale Gerechtigkeit. Die Abgeordneten Schurer (SPD) und Lenz (CSU) vermeiden heftige Attacken

Von Max Ferstl, Lengdorf

Kurz vor Ende gerät Ewald Schurer, Bundestagsabgeordneter der SPD, für einen Moment ins Rotieren. Er will noch ein letztes Mal die Regierungsarbeit loben, spricht deshalb den sozialen Wohnungsbau an. Ein gutes Thema bei einer Diskussionsrunde über soziale Spaltung, zu welcher der Sozialverband VdK die Direktkandidaten des Wahlkreises eingeladen hat. "Rot-Schwarz", sagt Schurer, habe die verfügbaren Mittel auf 1,5 Milliarden Euro erhöht. Das ist natürlich politisch nicht korrekt. "Schwarz-Rot" müsste es heißen, weil die SPD als Juniorpartner der Union nur an zweiter Stelle genannt wird. Schurer korrigiert sich sofort, der CSU-Abgeordnete Andreas Lenz murmelt zustimmend: "Schwarz-Rot basst scho".

Natürlich sollte man in diesen Moment nicht zu viel hineindeuten, einen Koalitionswunsch schon gar nicht. Aber er eignet sich gut als Fazit zu dieser zweistündigen Debatte im Lengdorfer Gasthof Menzinger, in der es um soziale Gerechtigkeit gegangen war. Es scheint im Großen und Ganzen schon zu passen zwischen dem SPD-Mann Schurer und dem CSUler Lenz.

Beide finden, dass es Deutschland wirtschaftlich "sehr gut" geht, dass aber auch ein soziales Ungleichgewicht existiert. Schurer bewertet dieses Ungleichgewicht etwas gravierender, aber auch Lenz sagt: "Altersarmut kann man nicht leugnen. Das Thema wird uns in Zukunft verschärft beschäftigen." Damit zur Rente, dem umfangreichsten Tagespunkt.

Schurer fordert höhere Löhne und damit "bessere Renten-Biografien". Wer lange arbeite, am Ende aber trotzdem nicht von seiner Rente leben könne, sollte eine mit Steuern finanzierte Lebensleistungsrente erhalten. Diese sei zwar teuer, würde sich aber lohnen, findet Schurer: "Nichts ist für unsere Gesellschaft eine größere Schmach, als wenn Leute ein Leben lang etwas leisten, am Ende aber doch zum Sozialamt gehen müssen."

Natürlich vergisst er nicht zu erwähnen, dass die Union kein eigenes Konzept vorgelegt hat. Lenz entgegnet, die Rente sei bis 2030 "durchgerechnet" und das Konzept der SPD würde ebenfalls nicht über diesen Zeitpunkt hinaus gehen. Kurz wabern Plattitüden-Vorwürfe durch den Raum, die Schurer allerdings schnell wieder einfängt: "Ich weiß, dass der Andreas die Sachen durchdenkt." Man versteht sich. Auch teilt man manche Vorstellungen, etwa die, kleinere Renten stärker zu erhöhen als hohe. Scharfe Attacken reitet in Lengdorf jedenfalls keiner. Auch, weil man in den vergangenen vier Jahren ja recht produktiv miteinander regiert hat.

Insofern ist es schade, dass die Kandidatin der Grünen, Anna-Maria Lanzinger, krankheitsbedingt fehlt. Die Stimme der Opposition führt daher einzig der 19-jährige Lukas Schmid (Die Linke). Er macht seine Sache ordentlich, obwohl er sich manchmal in seinen Notizen verheddert, obwohl er zwischen den ausladenden Monologen der bundestagserprobten Konkurrenten etwas untergeht. Trotzdem erweitert Schmid die Debatte um spannende Aspekte. Er erzählt zum Beispiel von seiner Mutter, einer Anästhesieschwester, die, abgesehen von einer zweijährigen Unterbrechung, seit ihrem 18. Lebensjahr arbeitet. Sie wird 900 Euro Rente bekommen, weil sie lange in Elternteilzeit war. Wie kann das sein, in einem sehr reichen Land? Man hätte gerne mehr darüber erfahren, doch in der Folge franst die Diskussion aus.

Irgendwann wird Schurer noch gefragt, wie hoch er die Chancen einschätze, soziale Fehlentwicklungen in einer möglichen großen Koalition zu korrigieren? Anstatt zu antworten, zieht er über die Linken her und bezeichnet ihre Vorschläge als nicht finanzierbar. Vielleicht klingt Schwarz-Rot ja doch nicht so schlecht.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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