"Der zielgenaue Abflug nach Osten war beeindruckend präzise":Außerplanmäßige Landung

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Unbemerkt von der Flugsicherung und dem Tower haben zwei Weißstörche offenbar auf dem Münchner Airport einen unangemeldeten Zwischenstopp auf der Reise nach Süden eingelegt. Verraten haben sie ihre GPS-Sender

Von Gerhard Wilhelm, Flughafen

Wir schreiben den 14. August 2015. Völlig unbemerkt landen am Airport München zwei Flieger. Sie haben sich weder bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) noch am Tower angemeldet. Es wurde keine Landegenehmigung eingeholt und kein Flugplan für den Weiterflug bei den zuständigen Stellen eingereicht. Nur dank eines von den beiden Fliegern abgestrahlten Positionssignals weiß man heute, dass sie um 13.30 Uhr auf dem Rollweg der südlichen Landebahn waren und später Richtung Osten weiterflogen. Auch das Radar hat die beiden nicht erfasst. Handelte es sich um militärische Tarnkappenflugzeuge oder sogar Alien, die unerkannt bleiben wollten? War das abgesendete Signal ein Lapsus?

Könnte man denken, aber mittlerweile sind der Erdinger SZ sogar die Namen der Flieger bekannt: Sophie und Johannes Weichlein - zwei Weißstörche, die damals auf dem Flug in ihre Winterquartiere gewesen sind. Sie kamen aus dem Norden, flogen dann weiter nach Osten. "Der zielgenaue Abflug nach Osten war beeindruckend präzise", muss Horst Jahnke von der Unternehmenskommunikation der Flughafen München GmbH (FMG) zugeben. Auch bei der DSF wurden beide nicht registriert, wie eine Anfrage ergab: "Eine Landung hat nach unserer Datenlage nicht stattgefunden, auch konnte kein Zahlungseingang einer An- und Abfluggebühr festgestellt werden", schreibt amüsiert Ute Otterbein von der DFS.

Beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) war man über das Flugziel der beiden Störche sehr erstaunt. Immerhin ist ein Flughafen wahrlich keine sichere Zone für Vögel und auch die Flugsicherung ist wenig erfreut über größere Vögel auf und im Umkreis eines Flughafens. Zu groß ist beim Starten die Gefahr eines Turbinenschadens durch einen Vogel, der in sie gerät.

Sophie und Johannes Weichlein war das aber offenbar egal. Ihre Sender schickten vom Münchner Flughafen ein Signal mit aktuellen GPS-Daten los. Ob sie nur einen niedrigen Überflug machten oder sogar landeten, was wahrscheinlicher ist, ist unbekannt. Zum Glück ging alles gut. Nur so ganz exakt haben sich die beiden Störche nicht an die Vorschriften gehalten. "Nach der vorliegenden Flugaufzeichnung liegt ein grober Navigationsfehler vor, denn das Storchenpaar ist regelwidrig auf einem Rollweg gelandet, ohne jedoch den normalen Flugbetrieb weiter zu beeinträchtigen", sagt Jahnke. Und der war zu der Zeit ordentlich, wie die FMG, in deren Bereich die Verantwortung des Towerbereichs (innerhalb des Flughafenzauns) liegt, mitteilt. Auf der Südbahn startete zu der Zeit ein Boeing 747-400 der Thai Airways mit Ziel Bangkok und ein Lufthansa-Maschine vom Typ Embraer ERJ 195 kam aus Mailand an.

Die beiden Störche wurden im Landkreis Bamberg mit Satellitensendern versehen, wie Oda Wieding, die Storchenexpertin beim LBV mitteilt. Sophie stammt aus einem Nest in Unterneuses, Johannes Weichlein aus Burgebrach. Am 18. Juni 2015 bekamen beide kleine "Rucksäcke" mit dem GPS-Sender. Sophie hat zuletzt Ende Oktober 2016 aus dem Sudan vom Nilufer gesendet, "dort könnte es eventuell ein Funkloch geben oder der Sender hat technische Probleme, zumindest könnte sie noch am Leben sein", hofft Oda Wieding.

Tragischer ist das Schicksal ihres damaligen Flugfreundes, der im Gegensatz zu ihr nicht nach Afrika weiter geflogen ist, sondern östlich Vilsbiburg die Schleife nach Nordwesten zurück in die Geburtsregion gezogen hat und dann nach Spanien geflogen ist, wo er gegen 25. Oktober 2015 in der Nähe von Escobosa de Almazan ums Leben gekommen ist. "Die Vogelwarte Radolfzell versucht natürlich, die Sender wiederzubekommen und die jeweilige Todesursache genauer herauszufinden, manchmal sieht man schon auf einem Satellitenfoto, dass es sich wahrscheinlich um einen für ihn tödlichen Strommasten handeln muss, im Moment weiß ich leider nichts genaues hierzu", sagt Wieding.

Warum sich beide Störche nicht beim Tower angemeldet haben, darüber kann nur spekuliert werden: "Für das sogenannte ,midfield crossing', also eine Überquerung des Flughafens, hätten die beiden Störche eigentlich eine Genehmigung des Towerlotsen benötigt. Vielleicht haben die beiden jedoch in der Eile versäumt, einen entsprechenden Funkspruch an den Tower abzusetzen", schreibt Ute Otterbein. Auch über die Gründe, warum Sophie und Johannes Weichlein sich ausgerechnet den Airport für einen Zwischenstopp aussuchten, können nur Vermutungen angestellt werden. Dass sie FMG-Chef Michael Kerkloh zu mehr Starts und Landungen verhelfen wollten, dürfte unwahrscheinlich sein. "Vielleicht sind die Störche auch wegen Kapazitätsproblemen auf der Südbahn auf den Rollweg ausgewichen und sie haben dann an den offenen Wassergräben zwischen den Rollwegen Frischwasser aufgetankt, um ihren Langstreckenflug fortzusetzen", vermutet Horst Jahnke.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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