Caritas-Jahresbericht:Immer mehr Not, immer mehr Aufwand

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Im Landkreis geraten immer mehr Menschen in eine Krisensituation. Bürokratismus und komplizierte Verordnungen machen den Mitarbeitern das Leben schwer

Von Regina Bluhme, Erding

6004 Menschen haben im vergangenen Jahr das Beratungsangebot der Caritas Erding genutzt. 6004 Menschen in einer absoluten Krise, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten, das Geld fürs Essen nicht reichte oder eine depressive Erkrankung ihre Welt aus den Angeln gehoben hat. Caritas-Kreisgeschäftsführerin Barbara Gaab stellte am Dienstag den Jahresbericht vor: "Not und schneller Hilfebedarf wachsen." Zugleich erfordere die Unterstützung immer mehr Aufwand.

Am meisten nachgefragt war 2017 der Bereich der Senioren (2160 Klienten), gefolgt von der Beratung für Kinder, Jugendliche, Familien (1163) und den Sozialpsychiatrischen Diensten (1060), wie bei der Pressekonferenz in der Kinderburg zu erfahren war. Sehr gut angenommen wird der Krisendienst Oberbayern, der seit Dezember 2016 auch dem Landkreis Erding zur Verfügung steht. In einer seelischen Ausnahmesituation können Betroffene rund um die Uhr eine zentrale Leitstelle anrufen und erhalten durch das Erstgespräch "eine deutliche Entlastung und Erleichterung", wie Alfons Kühnstetter, Leiter der Sozialpsychiatrischen Dienste, berichtet. Von den 243 Anrufern aus dem Landkreis hätten sich im Anschluss 59 in der Sprechstunde der Sozialpsychiatrischen Dienstes weitere Hilfe geholt, 18 Menschen seien beim Bereitschaftsdienst vorstellig geworden. Das sei eine überdurchschnittlich hohe Quote innerhalb Oberbayerns. Nehme man die 156 Fälle dazu, die von sich aus und ohne Vermittlung die Beratungsstelle aufgesucht hätten, "dann kommt man fast auf einen Hilfesuchenden pro Arbeitstag". Der Mangel an bezahlbarem Wohnungen sei "dramatisch" und treffe vor allem psychisch Kranke, fügte Kühnstetter an. Er kenne Klienten, die ein Jahr lang in einer Obdachlosenunterkunft leben mussten.

Bei der Allgemeinen Sozialen Beratung und der Schuldnerberatung der Caritas bitten immer mehr Klienten "kurzfristig und ohne Termin um Hilfe", berichtete Brigitte Fischer von der Sozialberatung. Beide Stellen bieten nun eine offene Sprechstunde an. Die Sozialberatung hat zweimal in der Woche Sprechstunde und da kann es laut Fischer passieren, dass in einer Stunde fünf bis sechs Menschen in der Tür stehen. Kürzlich sei eine Mutter vorstellig geworden, die kein Geld mehr für die Windeln ihres Babys hatte.

Die Gesamtkosten des Caritas-Zentrums Erding beliefen sich 2017 auf rund sechs Millionen Euro. Finanziert werden diese Ausgaben durch Zuschüsse, Leistungsentgelte wie Kindergartenbeiträge, durch Spenden und Eigenmittel. Letztere betragen rund 244 000 Euro, informierte Barbara Gaab. Bei Caritassammlungen kamen 111 215 Euro an Spenden zusammen, "da sind wir bei den Einnahmen stabil geblieben".

169 Mitarbeiter beschäftigte der Wohltätigkeitsverband 2017, das sind immerhin zehn Prozent mehr als 2016. Doch neue Beschäftigte zu finden sei schwer, sagte Gaab: "Es ist mittlerweile unheimlich eng." Neben den 169 Festangestellten arbeiteten 2017 auch 213 Menschen ehrenamtlich für die Caritas. Sieben leisteten einen Freiwilligen-Dienst. "Die Arbeit der Ehrenamtlichen nimmt einen immer wichtigeren Platz ein."

Im Vergleich zu 2016 ist die Anzahl der Klienten um circa 150 zurückgegangen. Das liegt laut Gaab an einer "ganz normalen Schwankung", es kämen aber auch immer mehr Hilfesuchende mit einem ganzen Bündel an Problemen auf die Mitarbeiter zu und somit erhöhe sich der Beratungsaufwand. Vor allem in der Pflege steige der Beratungsbedarf aufgrund neuer Gesetzesvorlagen stetig, zugleich aber müsste das Personal ständig weitergeschult werden. Gesetze und ihre Durchführung, das Stellen von Anträgen werde immer komplizierter. 2017 musste sogar der Rat eines Sozialanwalts eingeholt werden.

Es gab aber auch gute Nachrichten: Katharina Gaigl vom Caritas-Mehrgenerationenhaus Taufkirchen war beim Bayerischen Fachtag Demenz als Referentin eingeladen. Das Jobcafé im Mehrgenerationenhaus wird sehr gut angenommen, das gilt auch die Ferienbetreuung für Erdinger Grundschüler in der Caritas-Kinderburg an der Rupprechtstraße. Der Gebrauchtwarenmarkt Rentabel bietet insgesamt 30 Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten, eine Arbeitsgelegenheit. Eine sozialpädagogische Betreuung war 2017 nicht von der Agentur für Arbeit bezuschusst worden - heuer ist sie im wieder im Förderprogramm.

© SZ vom 16.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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