"Bayerische Bilderbuchstadt":Wie Dorfen in das "Wall Street Journal" kommt

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Das Engagement gegen AfD-Veranstaltungen, wie hier am vergangenen Donnerstag, hat Dorfen über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt gemacht. (Foto: Renate Schmidt)

Engagement gegen AfD zieht Kreise: Korrespondent der US-amerikanischen Tageszeitung macht sich vor Ort ein Bild

Von Regina Bluhme, Dorfen/New York

Das Wall Street Journal ist eine internationale, englischsprachige Tageszeitung mit Verlagssitz in New York. In der Ausgabe vom Mittwoch beschäftigt sich das Blatt mit Donald Trumps Außenpolitik, Italiens Innenpolitik - und außerdem der Stadt Dorfen, Landkreis Erding. Online ist schon im Inhaltsverzeichnis eine Aufnahme der Dorfener Altstadt zu sehen. Darunter wird kurz der dazugehörige Artikel angerissen, in dem es um Bayerns Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik und Merkels Machtverlust innerhalb der Konservativen geht. Der Deutschland-Korrespondent der US-Zeitung, Bojan Pancevski, war am vergangenen Donnerstag bei der AfD-Veranstaltung vor Ort und schildert der internationalen Leserschaft nun seine Eindrücke aus der "picture perfect Bavarian town".

Der Protest der Dorfener gegen die AfD hat über die Landkreisgrenzen von sich Reden gemacht. Beim Auftritt des AfD-Landesvorsitzenden Martin Sichert im Gasthaus am Markt war diesmal der Korrespondent des Wall Street Journals vor Ort. Wie er den Lesern im Artikel eingangs erklärt, hat die AfD mittlerweile große Erfolge bei der CSU-Stammwählerschaft. Er verweist auf die "Spannungen" innerhalb der Gesellschaft wegen des Migrantenzuzugs. Diese "tensions" waren seiner Ansicht nach in der "bayerischen Bilderbuchstadt" Dorfen deutlich zu sehen, wo Migranten aus Afrika und dem Mittleren Osten am Bahnhof "and in the parks" herumlungerten, arbeitslos und oft auf der Suche nach einem Platz in einem Deutschkurs seien, wie er schreibt. Die AfD habe an dem Donnerstag ein Dorfener Gasthaus gemietet, eine "beer hall" mit Blick auf den mittelalterlichen Marktplatz, informiert er weiter. Gekommen seien sowohl Kritiker als auch Anhänger. Der Journal-Korrespondent vergisst nicht zu erwähnen, dass auf den Wirtshaustischen Teller voll Schnitzel und Bierkrüge standen.

In der Online Ausgabe sind drei Fotos aus Dorfen eingestellt. Sie zeigen einmal einen Buben, der auf einem Pfosten vor dem Gasthaus am Markt hockt, einen älteren Herren auf der Isenbrücke und das Wesner Tor. Die AfD-Veranstaltung in dem Dorfener Gasthaus nennt der US-Journalist einen "Mikrokosmos", der die Debatten abbilde, die gerade das deutsche Politiksystem vor eine Zerreißprobe stellten. In Dorfen trifft er auf einen AfD-Anhänger, der Merkels Einwanderungspolitik heftig kritisiert. Der Journalist zitiert aber auch einen 31-Jährigen der laut widerspricht: "Die AfD ist eine faschistische Partei und wir werden Faschismus hier bei uns nicht dulden!" Solche Szenen spielten sich seit Monaten in ganz Bayern ab, heißt es weiter.

Über die Gegendemonstranten vom Donnerstag verliert er im Text kein weiteres Wort. Dafür ist Martin Sichert umso präsenter. Er verkörpere die schlimmsten Befürchtungen von Bundesinnenminister und CSU-Mann Horst Seehofer, heißt es in dem Artikel. Der AfD-Mann habe von der Zuhörern im örtlichen Gasthaus "donnernden Applaus" für seine Absage an Multikulti erhalten. "Die Leute hier bleiben bei Rot an der Ampel stehen, auch wenn kein Auto kommt", zitiert er Sichert, es sei diese Mentalität, die für "Topqualität" in der Wirtschaftsproduktion und in der Politik sorge. Im weiteren Verlauf werden noch einige Merkel-Kritiker zitiert, unter anderem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Das Schlusswort des Artikels gehört wieder Sichert, der von Dorfen aus im Wall Street Journal verkündet: "Wir wollen so viel Druck auf die Konservativen machen, dass sie unsere Migrationspolitik übernehmen. Und das klappt."

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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