Amtsgericht:Gerangel an der Tankstelle

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20-Jähriger soll sich betrunken zwei Polizisten widersetzt und einen davon verletzt haben

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Was ist um 6 Uhr am Sonntag, 12. November, vergangenen Jahres an der Tankstelle in der Sigwolfstraße tatsächlich passiert? Hat der 20-jährige Angeklagte tatsächlich einen Polizeibeamten angegriffen, als er sich ausweisen sollte, oder hat der Beamte überreagiert? Am Amtsgericht Erding war sich Richter Michael Lefkaditis auch nach fast zwei Stunden nicht sicher. Vorausgegangen waren sechs Zeugenbefragungen, in denen sich die beiden Polizisten sehr gut an den frühen Morgen erinnern konnten, nicht aber vier weitere Zeugen, die nach einem Diskobesuch zur Tatzeit anwesend waren.

Zum Teil war das Erinnerungsvermögen auch deshalb eingeschränkt, weil die Diskobesucher "total betrunken" zu dem Zeitpunkt waren, wie einer über sich selber sagte. Die Hauptzeugin, eine Kassiererin der Tankstelle, hatte sich kurzfristig mittels ärztlichem Attest entschuldigen lassen. Diagnose: kurzfristige Sprechstörung aus unbekannten Gründen, wie Richter Lefkaditis sagte. Er hofft jetzt, dass sich diese Störung bis zum nächsten Verhandlungstermin am 5. Juni legt.

Ausgangspunkt für den Polizeieinsatz mit zwei Fahrzeugen und vier Beamten war ein Anruf von der Tankstelle, dass dort eine größere Gruppe sich eine Schlägerei liefere. Vor Ort habe man dies jedoch nicht mehr feststellen können, sagten die beiden Beamten aus, die mit der Festnahme des Angeklagten zu tun hatten. Der 20-Jährige sei ihnen aber aufgefallen, weil er einige Blessuren im Gesicht gehabt habe und deshalb vielleicht ein Geschädigter der Schlägerei hätte sein können. Deshalb habe man seine Personalien aufnehmen wollen.

Doch der Angeklagte habe auch auf zweimaliges Zurufen anzuhalten nicht gestoppt. Vielmehr, so der 41-jährige Polizist, habe er sich zweimal an die Brust mit der Hand geschlagen und gesagt: "Was willst Du von mir? Bleib doch selber stehen." Weil er sich völlig unkooperativ gezeigt habe, habe man versucht ihn festzuhalten, doch der 20-Jährige habe mit recht heftigen Drehbewegungen versucht, sich aus dem Griff heraus zu winden. Mit seiner linken Hand habe er zudem auf den rechten Arm des Polizisten geschlagen. Letztendlich, so seine 28-jährige Kollegin, habe er den Personalausweis heraus gerückt. Weil er aber weiter sehr aggressiv gewesen sei und mit nach oben gerissenen Armen herumgefuchtelt habe, habe man ihm, um weiter Straftaten zu vermeiden, Handschellen angelegt und zur Polizeiwache mitgenommen - wo ein Atemalkoholtest 0,65 Promille ergeben habe.

Bei den Versuchen, sich aus dem Polizeigriff zu winden zog sich der 41-jährige Beamte durch die Drehbewegungen eine Kreuzbandriss im linken Knie zu und musste operiert werden, womit er zweieinhalb Monaten dienstunfähig war.

Der Angeklagte hatte eine ganz andere Version. Er sei mit seiner Freundin - deren Nachname er allerdings nicht wusste - in die Tankstelle gegangen, um sich Getränke und was zum Essen zu kaufen. Als er den Tumult und die Polizisten gesehen habe, sei er lieber Richtung Sigwolfstraße gegangen, "um keinen Stress zu bekommen". Er habe zwar gehört, dass jemand Stopp gerufen habe, es aber nicht auf sich bezogen. Dann habe ihn der Polizist gegen einen Verkaufsständer neben der Eingangstür geschubst und auch gleich Handschellen ihm angelegt, weil er nicht angehalten habe. Er selber habe aber angeblich nichts getan und sei nach eigenen Angaben auch nicht aggressiv gewesen.

Auch die Videoaufnahmen durch Kameras an der Tankstelle zeigten den Vorfall nicht eindeutig, beziehungsweise wurden unterschiedlich von der Staatsanwältin und dem Angeklagten und dessen Verteidiger ausgelegt. In der nächsten Verhandlung soll nun neben der Kassierin, die sich schon bei ihrer Aussage bei der Polizei "wenig kooperativ" gezeigt habe, sagte Lefkaditis, die angebliche Freundin des Angeklgten aussagen, falls der 20-Jährige ihren Nachnamen heraus findet.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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