Als Fußballer David Beckham neben seiner Frau Victoria, die eine Art gezwirbelte Antenne auf dem Hut befestigt hat, Westminster Abbey betritt, wischt sich Maria Timar bereits die erste Träne aus dem Auge. Der Trauung von Prinz William und Kate in London schenkt die 52-Jährige an diesem Freitagvormittag allerdings kein bisschen Aufmerksamkeit, denn sie ist auf ihrer eigenen Hochzeit.
Gemeinsam mit dem 53-jährigen Erich Waldhauer, der in wenigen Minuten auch Timar heißen wird, steht sie um 10:15 Uhr kerzengerade in der ersten Reihe im holzvertäfelten Trausaal des Standesamtes im Kreisverwaltungsreferat München. Das elegante lila Kleid, das sie bei einer Schneiderin hat anfertigen lassen, umspielt neckisch ihre Schulter. Um den Hals trägt sie eine dezente, goldene Kette. Erich Waldhauer hat einen beigen Anzug gewählt, seine weiß-grauen Haare stehen sympathisch in alle Richtungen ab. 25 Verwandte und Freunde sind eingeladen. Zu viele für den Raum, einige finden nur noch mit dem Rücken an die Wand gelehnt Platz.
Im Kreisverwaltungsreferat München gibt es keine pompöse Zeremonie wie in London, auf die die ganze Welt seit Monaten hinfiebert, sondern Hochzeiten im Akkord. Vor wenigen Minuten wurde in dem Raum noch ein anderes Hochzeitspaar getraut, keine halbe Stunde später wählt der Standesbeamte nun erneut die Worte: "Die Liebe hat Sie an diesem Tag zu uns geführt." Er kennt alle Textpassagen auswendig.
Aus dem Fenster blickt man auf ein mehrstöckiges Gebäude, auf dessen Balkonen große Satellitenschüsseln stehen. Im Stockwerk unter dem Trausaal liegt das Sterbebüro. Doch die Blätter der Pappeln draußen auf der Ruppertstraße strahlen in einem so satten Hellgrün, als hätten die Bäume extra viel Farbstoff für den Hochzeitstag der Timars aufgespart. Die Sonne scheint hell, aber brennt nicht.
Neben dem Pult des Standesbeamten spielt eine Frau am Klavier sanft die Melodie mit, während Reinhard Fendrich vom Band singt: "Weust a Herz host, wia a Bergwerk, weust a Wohnsinn bist für mi." Erich nimmt die Hand von Maria. Der Standesbeamte fragt: "Sind Sie bereit, die Ehe einzugehen?" Beide antworten mit einem so lauten und festen Ja, dass eine Verwandte zu kichern beginnt. Dann klatschen alle lange und kräftig. Maria Timar wischt sich erneut eine Träne aus dem Auge, der Mascara schmiert leicht.
"Erich weiß genau, was eine Frau will"
Ganz England streitet, ob Kate ihren William oder das Rampenlicht mehr liebt. In der Ruppertstraße stellen sich solche Fragen nicht. Die einzige Videokamera, die an diesem Vormittag auf Maria Timar gerichtet ist, bedient einer ihrer Neffen. ARD, ZDF, Sat1 oder RTL sind nicht im Kreisverwaltungsreferat präsent, sie haben zur gleichen Zeit andere Sendepläne. Zudem ist bei dem Brautpaar in der Ruppertstraße natürlich nicht so viel Geld zu holen wie im Hause Windsor. Erich Timar ist Kraftfahrer, seine Frau Altenpflegerin.
Für Maria und Erich Timar ist es bereits die zweite Hochzeit. Ihre ersten Ehen scheiterten. "Das war nicht schön", meint Maria Timar und blickt ernst. "Mit Erich habe ich jedoch schon jetzt viel gemeinsam durchgemacht." Sie macht eine kurze Pause. "Das schweißt zusammen. Für immer."
Kennengelernt haben sich die beiden vor sieben Jahren - im Internet. Zufällig am gleichen Tag meldeten sie sich bei der Partnerbörse an, bereits nach einer Stunde Online-Suche landete die erste Nachricht von ihrem späteren Mann in Maria Timars Postfach. "Für uns beide war die Sache sofort klar", sagt Maria Timar rückblickend. Nach 14 Tagen trafen sie sich zum ersten Mal, ein Jahr später zogen sie zusammen nach Obergiesing. Und nun stehen sie im Standesamt.
"Erich hat einen guten und ganz besonderen Charakter", schwärmt Maria Timar. "Er weiß genau, was eine Frau will." Und Erich Waldhauer, inzwischen Timar, meint: "Ich kann gar nicht beschreiben, was mir an ihr besonders gefällt. Es ist einfach alles."
Im Sommer 2012 wollen die beiden in Maria Timars Heimat Rumänien kirchlich heiraten. Drei Tage lang mit allen Verwandten soll dann gefeiert werden, erzählt Erich Timar. "Das wird ein Riesenfest." Die Hochzeit von Kate und William - die sei ein Klacks dagegen.
Nach der Trauung zieht die Hochzeitsgesellschaft weiter in ein chinesisches Restaurant am Laimer Platz. Während die Gäste den Saal verlassen, erklingt der Song Highway to Hell. "Das musste sein", sagt AC/DC-Fan Erich Timar und grinst verschmitzt. Prinz William hätte das in Westminster Abbey garantiert niemand erlaubt.