EDV:Münchens Software heißt Linux

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Die Verwaltung wird ihre Rechner mit dem offenen Betriebssystem ausrüsten - für 30 Millionen Euro.

Von Jan Bielicki

Als erste deutsche Großstadt wird München seine Computer mit dem offenen Betriebssystem Linux laufen lassen. SPD und Grüne billigten gestern einen Vorschlag von OB Christian Ude, bei der nötigen Aufrüstung der städtischen Rechner nun doch nicht auf das Angebot des Weltmarktführers Microsoft zurückzugreifen. Der Stadtrat soll morgen den rund 30 Millionen Euro teuren Ankauf beschließen.

Die Entscheidung für das von der Nürnberger Firma SuSE Linux mit Unterstützung des Computerriesen IBM angebotene System Open Source Software kommt überraschend. Noch vor einer Woche hatten die von der Stadt beauftragten Gutachter den Kauf des Konkurrenzprodukts Windows XP von Microsoft empfohlen - nachdem sie Anfang April schon einmal Linux den Vorrang gegeben hatten.

Doch seither haben beide Seite ihre Angebote deutlich nachgebessert. Nachdem zuerst Microsoft den Preis auf rund 27,3 Millionen Euro gedrückt hatte, legten jetzt auch die Linux-Leute nach. Ihr Paket soll die Stadt zwar rund 30,2 Millionen Euro kosten.

Die Fachleute der Unternehmensberatung Unilog, die die Stadt beim Kauf beraten, schätzen in ihrer Studie das teurere Linux-Angebot allerdings "qualitativ-strategisch" deutlich höher ein als die Microsoft-Lösung - ein Vorzug, der den höheren Preis ausgleicht und die Stadtspitze offensichtlich überzeugt.

Damit wäre München die erste deutsche Großstadt, die ihre Rechner mit dem Linux-System betreibt. Bis jetzt liefen die gut 14.000 städtischen Computer mit dem Betriebssystem Windows NT von Microsoft, dessen technische Unterstützung der Hersteller allerdings auslaufen lässt.

Eben deshalb muss sich die Stadt nun die neue Betriebssoftware zulegen. Um den prestigeträchtigen Auftrag, ursprünglich auf rund 35 Millionen Euro veranschlagt, hatten beide Seiten erbittert gekämpft. Denn Microsoft befürchtet, und die Linux-Vertreiber hoffen, dass andere Städte dem Münchner Beispiel folgen könnten.

Schließlich geht es um das milliardenschwere Geschäft mit der Software in staatlichen und kommunalen Verwaltungen - einen Markt, den Microsoft bislang weitgehend allein beherrschte.

Wie hoch die Konkurrenten die Münchner Entscheidung einschätzen, zeigt ihr Einsatz. Microsoft-Chef Steve Ballmer unterbrach im März seinen Skiurlaub und reiste aus der Schweiz nach München, um mit Ude zu verhandeln. Aber auch IBM- Manager kamen ins Rathaus, und IBM-Deutschlandchef Walter Raizner meldete sich telefonisch im OB-Büro.

Die Entscheidung für Linux brachte schließlich ein Angebot, das SuSE Linux auf eher ungewöhnliche Art einreichte: Die neuen Zahlen gingen nämlich an die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Strobl, die sich für die Stadträte ihrer Partei um den Software- Ankauf kümmert.

Erst Strobl leitete es an den eigentlich zuständigen Direktoriumschef Ernst Wolowicz weiter. Sie begründete die Entscheidung ihrer Fraktion vor allem damit, dass die Open Source Software der Stadt nicht an einen Hersteller binde und darum eine "langfristige Weichenstellung" sei: "Wir wollen grundsätzlich möglichst unabhängig von den Herstellern sein."

Die Stadt will ihre Computer nun nach und nach über mehrere Jahre auf das neue System umstellen. Bis Anfang 2004 soll dem Stadtrat ein Feinkonzept vorliegen, nach dem die im Fachjargon "Migration" genannte Umstellung ablaufen soll.

Allein die Schulung der etwa 16.000 städtischen Computernutzer wird rund 20 Millionen Euro kosten. Dabei will die Stadt mit der Technischen Universität zusammenarbeiten. Nach IBM-Vorstellungen sollen auch TU-Studenten bei diesem Umbau mithelfen.

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