Vermutlich wegen persönlicher Probleme:Explosion in Mehrfamilienhaus

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Ein 27-Jähriger verursacht in seiner Ebersberger Wohnung vermutlich mit Benzin absichtlich eine gewaltige Detonation. Der junge Mann stirbt, zwei Passanten werden verletzt

Von Carolin Fries

Insgesamt 84 Einsatzkräfte der Feuerwehren aus Ebersberg, Grafing, Oberndorf und Aßling bekämpfen am Samstagnachmittag den Brand in der Dr.-Wintrich-Straße. Danach räumen sie bis in die Abendstunden am Einsatzort auf. Foto: Peter Hinz-Rosin (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"Als wäre ein Lastwagen in unser Haus gefahren", "als hätte man versucht, mit der Axt meine Haustür aufzuschlagen", "als wäre der Balkon vom Haus gefallen": Mit diesen Worten beschreiben Nachbarn die Explosion in einem Mehrfamilienhauses, die sich am vergangenen Samstagnachmittag in der Ebersberger Dr.-Wintrich-Straße ereignet hat. Dabei kam ein 27 Jahre alter Mann ums Leben, zwei Passanten wurden verletzt. Die Polizei geht davon aus, dass der 27-Jährige die Explosion mit Absicht selbst verursacht hat.

Gegen 15.30 Uhr ertönt ein lauter Knall, kurz darauf steigt eine meterhohe Stichflamme gefolgt von schwarzem Rauch aus dem rosa gestrichenen Haus. Glücklicherweise sind außer dem Verursacher nur zwei Bewohner des Hauses in ihren Wohnungen. Ein Mann, der im Erdgeschoss wohnt, flüchtet durch das Treppenhaus ins Freie. Eine Bewohnerin aus dem ersten Stock rettet sich um Hilfe schreiend auf den Balkon. Dort wird sie von einem Nachbarn über eine Leiter in Sicherheit gebracht. "Wir haben auch gleich die Schnittverletzungen der beiden Frauen versorgt, die durch die Glassplitter auf der Straße verletzt wurden", berichtet der hilfsbereite Mann, der sich zum Zeitpunkt der Explosion nur wenige Meter entfernt in seinem Garten aufhielt. Kurz darauf erreichen die ersten Feuerwehrfahrzeuge und Rettungswagen die Straße.

Überall in der Wohnsiedlung, zu der auch ein Kinderspielplatz gehört, liegen noch am Sonntagmorgen Glassplitter. Ganze Fensterrahmen hat es über die Straße hinüber auf die Terrassen der Neubausiedlung "Bella Toscana" geschleudert, die durch eine etwa zwei Meter hohe Steinmauer von der Straße abgetrennt ist. Während die Mauer keinen Schaden nimmt, halten die Glasfenster einiger Wohnungen dem Druck nicht stand. Der Bewohner einer Wohnung im Erdgeschoss sagt: "Ich bin so froh, dass das Wetter gestern nichts war. Bei Sonnenschein wären wir am Nachmittag bestimmt mit den Kindern auf der Terrasse gesessen."

Diesen Gedanken formulieren mehrere Nachbarn und Schaulustige, die am Sonntagvormittag vor dem abgesperrten Haus stehen. Das Technische Hilfswerk aus Markt Schwaben hat den kleinen Vorgarten noch am Samstagabend gerodet und ein hölzernes Abstützsystem aufgebaut. Fingerbreite Risse ziehen sich durch die rußverschmierte Fassade. Bretterkonstruktionen versperren die Sicht ins Innere, doch die Treppe ins Dachgeschoss liegt offen da, verzogen wie ein überdimensioniertes Akkordeon. Bis auf die Straße hinaus dringt der beißende Geruch nach Verbranntem. Es fallen die Worte "Abriss" und "unbewohnbar". Was aus dem Haus wird, kann am Tag nach dem Unglück keiner den Mietern und Eigentümern sagen. Sie fanden am Samstag kurzerhand in einem Ebersberger Gasthof oder bei Freunden Unterschlupf.

Die Besitzerin einer Dachgeschosswohnung steht am Tag nach der Explosion auf dem Gehweg und blickt hinauf zu den schwarzumrandeten Fenstern. "Es ist unfassbar", sagt die Frau. Sie habe Samstag einen Ausflug in die Berge unternommen. Als sie gegen 17 Uhr nach Hause kommt, "ist plötzlich die Wohnung zerstört". Ein paar Kleider und Aktenordner holt sie aus ihrer Wohnung - und ihre Katze, die sich unter dem Bett versteckt hatte. "Alles ist nass und dreckig. Und es stinkt fürchterlich", erzählt sie. Nun wartet sie, das Haus erneut betreten zu können. Ein paar persönliche Dinge will sie noch holen, "Fotoalben und den Kratzbaum für die Katze".

"Ich muss den Biomüll entsorgen", sagt eine andere Bewohnerin, die noch unter Schock steht. Der Müll liege noch im Hausflur, sie habe ihn gerade rausbringen wollen, als sie den Knall hörte. Jetzt steht sie vor dem Haus, das einmal ihr Zuhause war, und kann es nicht begreifen. Gestern noch hat sie die Einkäufe in der Küche verstaut, einen Kaffee getrunken. "Ich muss noch den Schlüssel holen und den Geldbeutel", sagt sie. Sie war noch nicht wieder in ihrer Wohnung, hat keine Vorstellung, was sie erwartet. Zwei Brandermittler der Polizei gehen an ihr vorbei ins Haus. Sie sollen klären, ob die Explosion tatsächlich durch große Mengen Benzin ausgelöst wurde, wie zunächst vermutet. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.

Der junge Mann war vielen in der Nachbarschaft bekannt. "Der war immer freundlich", sagt eine Nachbarin aus dem Mehrfamilienhaus. "Er hat immer nett gegrüßt", bestätigt eine andere Mitbewohnerin. Doch offenbar hatte der Rettungsassistent private Probleme, die ihm unlösbar erschienen. Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Nord bestätigt, liefen Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. In diesem Zusammenhang habe zuletzt auch eine Wohnungsdurchsuchung bei dem 27-Jährigen stattgefunden.

© SZ vom 01.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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