Tassilopreis:Unbändige Liebe

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Weil sie mit Geduld und Engagement eine hochwertige Konzertreihe in Grafing etabliert hat, wird die Jazz-Initiative Grafing für den Tassilopreis der SZ vorgeschlagen.

Von Rita Baedeker

Möglich, dass man neuerdings in New Orleans oder Seoul eine ungefähre Ahnung hat, wo Grafing liegt. Ursache für die plötzliche Internationalität der kleinen Stadt ist eine Veranstaltungsreihe, die sich innerhalb der vergangenen zwei Jahre zu einem lokalen Zentrum des Jazz entwickelt hat. Die Väter dieser Reihe, die sich bescheiden "Jazz-Initiative Grafing" nennen, weder einen Verein gegründet haben noch irgendwelche Fördergelder beanspruchen, geschweige denn erhalten, wirken immer noch überrascht von dem Echo, das sie auf ihren Ruf hin aus aller Welt erhalten.

Frank Haschler und Joachim Jann sind die "Gründerväter" der Jazz-Initiative Grafing, die zusammen mit weiteren Musikern und Jazzfreunden eine das Kulturleben bereichernde und hochwertige Konzertreihe etabliert haben. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Es ist sechs Jahre her, da beschlossen Joachim Jann, Ingenieur und Alt-Saxofonist, und Frank Haschler, Handelskaufmann und Schlagzeuger, "Jam-Sessions" zu organisieren. Kennengelernt hatten sich die ambitionierten Amateurmusiker über einen Workshop mit dem Grafinger Kontrabassisten Sepp Ametsbichler, den man als Geburtshelfer der Reihe bezeichnen könnte.

Begonnen haben sie in "Beckers Erlebniskeller", wie das Untergeschoss des Grafinger Kastenwirts damals noch hieß. Ein alter Flügel stand herum, den sie benutzen konnten. Als Gage gab es eine Halbe Bier. Doch nach einiger Zeit fanden die Musiker, dass Sessions allein auf die Dauer fade sind und beschlossen eine entscheidende Veränderung: Erst sollte eine etablierte Band spielen, dann wollte man die Bühne für die Session heimischer Musiker öffnen.

An dieser Stelle kommt der aus Kirchseeon stammende Bassist Martin Zenker ins Spiel, ein Profi, der nicht nur als Musiker, sondern auch als Jazz-Professor, zum Beispiel in Südkorea und neuerdings in Ulan Bator in der Mongolei, gefragt ist. Zudem ist er, wie Haschler betont, ein fähiger Organisator. Zenker kam, Zenker sah, Zenker schleppte Musiker an, und zwar die richtig guten. Zuletzt Talente aus Seoul, die in Grafing ihre Deutschland-Tournee starteten, oder den Star-Saxofonisten Jesse Davis aus New Orleans. "Bei euch ist Seele dahinter", erklärte Davis nach seinem Gastspiel. "Unser Kastenwirt spricht sich herum", freut Haschler sich. Feste Honorare für die Musiker gibt es nicht, am Schluss jedes Konzerts - immer am letzten Donnerstag im Monat - wandert der Hut, die charmantere Form des Eintritts, herum. Der Keller ist jedes Mal gestopft voll.

Jann und Haschler haben jedoch auch ihre Grenzen im Blick. "Wir wollen weder einen Hype kreieren noch mit Burghausen konkurrieren", sagt Jann. "Uns liegt am Herzen, nicht nur Profis, sondern auch Amateure anzusprechen." Bands werden vermittelt, eine Musiker- und Instrumentenbörse wurde eingerichtet. "Wir verstehen uns als Netzwerker zwischen Publikum, Veranstaltern und Künstlern", erklärt Haschler. So kann man beispielsweise immer mal wieder das Klavier-, Bass- und Schlagzeugtalent eines erst 15-Jährigen genießen, der mit seinem Vater in den Keller kommt - Zapfenstreich 22 Uhr. Oder die Arrangements des 75-jährigen Alte-Kino-Architekten Helmut Mayer, eines Jazzfans im Ruhestand. "Wir haben Leute aus ihren Ecken gelockt", sagt Haschler. Jazzsängerin Nina Plotzki etwa habe man am Gemüsestand auf dem Marktplatz kennengelernt. Auch ein Kardiologe aus Dorfen, der fantastisch Saxofon spiele, gehöre zum inneren Zirkel. "Damals spielten wir für ein Bier, heute gibt es Biermarken und ein Budget fürs Essen", sagt Haschler. Verdient ist an den Abenden nichts. Weil sie mit Geduld und Engagement eine hochwertige Konzertreihe in Grafing etabliert hat, wurde die Jazz-Initiative Grafing nun für den Tassilopreis der SZ vorgeschlagen.

Lohn der Mühe sind die vielen Bewerbungen und CDs, die Haschler neuerdings auf den Tisch bekommt. Alle wollen sie in Grafing spielen, Profis wie Barbara Dennerlein, der Trompeter Matthias Schriefl und der polnische Saxofonstar Leszek Zadlo. "Mehr als zwei Abende im Monat, ab und an auch in Kooperation mit dem Alten Kino in Ebersberg, sind aber nicht drin", sagt Haschler. "Unsere Familien sind uns auch noch wichtig." Doch ihre unbändige Liebe zum Jazz gibt den Männern, 57 und 61 Jahre alt, die nötige Energie. "Der Stachel sitzt tief drin", sagt Frank Haschler und freut sich schon auf den nächsten Gig.

© SZ vom 24.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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