Keine antireligiöse Tat:Kirchenschatz für Drogen verhökert

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Der 19-Jährige, der Sankt Leonhard in Grafing geschändet hat, erhält eine Jugendstrafe.

Von Christian Rost

Der junge Mann hat auf dem Altar der Grafinger Leonhardikirche ein Feuer entfacht. Auch die wertvolle Innenausstattung aus dem 19. Jahrhundert beschädigte er. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Die Schändung der Kirche Sankt Leonhard in Grafing am 6. Juli 2013 war keine antireligiös motivierte Tat, sondern der vorläufige Höhepunkt in der Karriere eines jungen Straftäters. Ein damals 18-Jähriger aus der Punk-Szene, der im Stadtpark von Grafing nächtigte, stahl in der Leonhardikirche einen Reliquienbehälter mit einem Splitter, der vom Kreuze Jesu stammen soll, um an Geld für Marihuana zu kommen, und legte Feuer auf dem Altar. Die Monstranz verkaufte er an einen Kirchenbesucher im Münchner Dom für 50 Euro. Dies gestand der junge Mann am Freitag vor dem Münchner Schöffengericht. Er räumte auch noch diverse Diebstähle und Einbrüche in Grafing und München ein.

17 Punkte umfasste die Anklage gegen den Heranwachsenden mit schmalem Gesicht und Oberlippenbärtchen. Für "entwurzelt" hält der psychiatrische Sachverständige Matthias Hollweg den Angeklagten, der nach der Scheidung seiner Eltern bei seinem alkoholkranken Vater im Landkreis Ebersberg aufwuchs. Als es der Sohn nicht mehr aushielt, riss er aus und zog nach Berlin, wo er sich der Punk-Szene anschloss. Alle möglichen Drogen - von Kokain über Pilze bis hin zu LSD - probierte er aus, beließ es letztlich aber bei Marihuana, wovon er zuletzt bis zu acht Gramm am Tag rauchte. Auch das kostete Geld, weswegen er nach einer letztlich erfolglosen Entgiftung in einer Berliner Klinik in seine Heimat zurückkehrte und mehrere Male im Gymnasium Grafing Handys und Geldbeutel von Schülern stahl. Auch in Buchhandlungen und Handyläden machte er Beute.

Seine Nächte verbrachte er im Stadtpark, ein 16-jähriger Bekannter überließ ihm aus Mitleid einen Schlafsack und eine Isomatte. Tagsüber hing der Punk öfter beim Cafè am Bahnhof herum. Als Gegenleistung für etwas Essbares bot er Jugendlichen bisweilen einen Joint an, wie ein Zeuge berichtete.

Vier Mal hatte die Polizei den Punk vor dem Einbruch in die Kirche bereits festgenommen und dabei jeweils geklaute Handys oder Bücher sichergestellt. Die Anzeigen gegen ihn liefen noch, als er erneut dringend Geld für Marihuana brauchte. In Sankt Leonhard hoffte er etwas Wertvolles zu finden. Wie er zugab, stieg er in die Kirche ein und brach von mehreren aus dem 19. Jahrhundert stammenden Heiligenfiguren Hände und Füße ab und entfachte damit auf der Steinplatte des Altars ein Feuer. "Ich wollte die Kirche einnebeln, damit ich in aller Ruhe das Schloss des Reliquienschreins aufbrechen konnte", sagte der heute 19-Jährige. Für Staatsanwalt Martin Engl indes war das wahre Motiv für die Brandstiftung blinde Zerstörungswut. Die Monstranz verkaufte der Angeklagte in der Münchner Frauenkirche. Seither ist die Reliquie verschwunden. Das Geld setzte er sofort in Marihuana um. Der Schaden in der Kirche belief sich auf 5000 Euro.

Gerichtspsychiater Hollweg erkannte bei dem eher überdurchschnittlich intelligenten Angeklagten keine schwerwiegende psychische Störung. Das Gericht verurteilte ihn dem Antrag von Verteidigerin Claudia Enghofer folgend zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren mit Vorbewährung. Damit bleibt er so lange in Haft, bis er einen Therapieplatz für Drogenabhängige bekommt.

© SZ vom 25.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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