Heilers Dienstwagenaffäre:Versuch eines Schlussstrichs

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Stadtrat diskutiert Bericht der Rechtsaufsicht - die Öffentlichkeit darf teilweise zuhören

Thorsten Rienth

GrafingZuerst vergrub Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie Wähler) das Kinn bis zur Unterlippe in der Hand. Dann versank er so tief in seinem braunen Ledersessel, dass von hinten nur noch seine Haarspitzen zu sehen waren. Seine Stellvertreterin, Zweite Bürgermeisterin Susanne Linhart, hat an diesem Teil der Stadtratssitzung am Dienstag das Wort gehabt. Fünf Seiten musste Heiler erdulden, dass jetzt ausgerechnet diejenige, die er im Stadtrat mit am wenigsten leiden kann, den kompletten Bericht des Landratsamts zu seiner Dienstwagenaffäre vorlas. Heiler war nur Zuschauer.

Dass die Öffentlichkeit dieses Bild überhaupt zu sehen bekam, lag an der Grünen-Fraktionschefin Angelika Obermayr. Sie hatte beantragt, den von der Stadtverwaltung ursprünglich für den nicht-öffentlichen Teil bestimmten Tagesordnungspunkt zu Heilers Dienstwagenaffäre öffentlich zu beraten. Zur allgemeinen Überraschung fand sich dafür eine Mehrheit. Allerdings nur dafür, die abschließende Stellungnahme der Rechtsaufsicht aus dem Landratsamt vorzulesen. Für den eigentlich interessanten Teil des Abends, die Aussprache, musste die Öffentlichkeit den Sitzungssaal wieder verlassen.

Die Minuten, in denen Linhart die Stellungnahme vorlas, waren mucksmäuschenstill. Zuhörer, Stadträte, Mitarbeiter der Verwaltung - alle hörten gespannt zu. Kein Wunder, denn nicht einmal den Stadträten lag das Schreiben vor. Aus Furcht, diese könnten das Schreiben an die Presse spielen, verfügte das Rathaus: Abzüge des Berichts werden nicht verschickt, Stadträte durften lediglich im Rathaus Einsicht nehmen.

Je weiter Linhart voranschritt, desto mehr erschloss sich auch der offenkundige Grund dieses Vorgehens. Die Stellungnahme der Rechtsaufsicht geht an Deutlichkeit weit über das hinaus, was das Landratsamt Anfang der Woche noch in einer Pressemitteilung nüchtern zusammenfasste. Das Schreiben beinhaltet für Heiler eigentlich nur eine gute Nachricht. Nämlich, dass ihm - zumindest dienstrechtlich gesehen - kein Fehlverhalten nachzuweisen ist. Das Credo des Berichts ist allerdings ein anderes: Für die Missstände, die zur falschen Besteuerung seines Dienstwagens führten, könne Heiler niemanden anders verantwortlich machen als sich selbst.

Über zehn Jahre hinweg war die Stadt Grafing fälschlicherweise für die auf Heilers private Dienstwagennutzung fällige Einkommenssteuer eingesprungen. Eine Praxis, "die den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügt", stellte das Landratsamt fest. Eigentlich hätte Heiler die Steuer aus der eigenen Tasche bezahlen müssen.

Dass es zu dem Missstand überhaupt kommen konnte, bezeichnet die Rechtsaufsicht als "sehr verwunderlich" - schließlich war Heiler bereits 1998 schriftlich über den Missstand informiert worden. Die Rechtsaufsicht verweist auf den "Aktenvermerk eines Mitarbeiters". Sie bezweifelt also ausdrücklich Heilers Darstellung, erst 2008 von der notwendigen Besteuerung erfahren haben zu wollen. Ob Heiler den Hinweis allerdings "schuldhaft" ignorierte, sei "fraglich". Der Bürgermeister habe wohl einem "Verbotsirrtum unterlegen". Er wusste deshalb schlicht nicht, dass er die Steuer hätte bezahlen müssen. Ein "Fehlverhalten" lasse sich daraus nicht ableiten.

Für den formalen Schlussstrich unter der Dienstwagenaffäre musste die Öffentlichkeit den Sitzungssaal dann wieder verlassen - pro forma. Es könnten schließlich Details zur Sprache kommen, die Heilers Persönlichkeitsrechte einschränkten. Als Betroffener durfte aber auch der Bürgermeister nicht teilnehmen.

Wie in Zeitlupe erhob sich Heiler aus dem Sessel und schob ihn an die Tischkante. Ohne den Blick vom Boden zu nehmen verließ er den Saal.

© SZ vom 07.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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