Fernsehkommissar in Pöring:Mörderisches Vergnügen

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Udo Wachtveitl liest in der Trattoria Limone aus Robert Hültners Krimiserie und gibt dem bayerischen Bullen Paul Kajetan Kontur und Stimme

Von Christina Seipel

München anno 1924. Der bayerische Inspektor Paul Kajetan ist wegen Verleumdung von Vorgesetzten aus dem Polizeidienst entlassen worden. Nach einer Rauferei landet er im Gefängnis, wo er die Willkür des Gesetzes nun am eigenen Leib erfahren muss. Mit Tritten und Faustschlägen prügelt der Wachtmeister in der Zelle auf ihn ein. Es ist Kajetans Abstieg in die untersten Schichten der Gesellschaft. Doch er lässt sich nicht unterkriegen und ermittelt weiter als Privatdetektiv.

Fast 200 Zuschauer waren vergangenen Freitag in den Mairsamersaal der Trattoria Limone nach Pöring gekommen, um der Lesung aus Robert Hültners Krimis, vorgetragen von Udo Wachtveitl, zu lauschen. Das musikalische Spektakel, das unter dem Motto "Mörderisches Bayern" steht, war Auftakt zur Veranstaltungsreihe "Literarischer Herbst in Zorneding", die der Verein Pro Christophoruskirche gemeinsam mit der Gemeindebücherei nunmehr zum fünften Mal veranstaltet.

Mit den Geschichten über das Leben des bayerischen Bullen Kajetan in der Zeit der Weimarer Republik fesselt Tatort-Star Wachtveitl seine Zuhörer. Die erleben Literatur einmal anders. Nicht steif, sondern leidenschaftlich, lebendig und facettenreich rezitiert - wie ein Film in schwarzweiß, der plötzlich Farbe bekommt. Das Besondere an dieser Lesung ist die gekonnte Mischung aus Theater, Musik und Comedy, die ein Gesamtkunstwerk ergibt. Denn auch die Musik gibt den Ton an, illustriert Atmosphäre und Schauplätze. Ein mörderisches Vergnügen für Augen und Ohren. Hans Kriss liefert die Zwischentexte. Er ist der eigentliche Erzähler, der die unterschiedlichen Handlungen miteinander verbindet und Zusammenhänge erläutert.

In verschiedenen Episoden aus den drei Romanen Walching (1993), Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski (1995) und Die Godin (1997) schlüpft Wachtveitl in die Figur des Paul Kajetan. Die Geschichten handeln von Mord und Totschlag, von umtriebigen Pflegevätern, gewalttätigen Bauern und einer korrupten Polizei in der Zeit politischer und gesellschaftlicher Turbulenzen. In seinem Kriminalhörspiel "Mörderisches Bayern" beweist Udo Wachtveitl einmal mehr, dass er das Handwerk des Synchronsprechers beherrscht. In verschiedenen Stimmfarben versteht er es, jeder Figur ihre persönliche Note zu verleihen. Auch der rasante Wechsel zwischen den einzelnen Charakteren gelingt ihm mühelos. Da grantelt er eben noch als Bauer in oberbairischem Akzent und empört sich kurz darauf in der zerbrechlichen und zugleich grellen Stimme einer alten Dame über einen "Roten". Vielseitigkeit beweist der Schauspieler auch mit seinen nuancierten bairischen Akzenten, die seiner Darbietung Authentizität verleihen. Er nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise in die bayerische Geschichte und die städtischen und ländlichen Milieus der 1920er Jahre. Dabei erinnert das ländliche Milieu Oberbayerns, das Hültner in seinen Kriminalromanen detailliert beschreibt, an das Genre der deutschen Heimatfilme aus den 1940er Jahren.

Mit fantasievollen Tönen und jazziger Musik verleiht die Band aus Posaunist Sebastiano Tramontana, Percussionist Erwin Rehling und Akkordeonist Andreas Koll dem Hörspiel akustische Würze. Mal munter, mal schwermütig setzen die drei Musiker Stimmungen in Szene. Mit gezielt übertriebener Darbietung bringen sie die Zuschauer zum Lachen. Zum Beispiel als Sebastiano Tramontana mit rauchig-tiefer Stimme, die an Joe Cocker erinnert, ein schwermütiges Lied zum Besten gibt. Urkomisch wird es auch, als das Trio eine anfahrende Dampflok nachahmt, mit Kuhglockengebimmel die Fahrt aus der Stadt simuliert oder Andreas Koll mehr lallend als singend die Atmosphäre in einer Spelunke musikalisch umsetzt.

Ob der zu Unrecht eingebuchtete "Bulle" Paul Kajetan je wieder in den Polizeidienst zurück findet, bleibt am Ende offen. "Ich muss doch wieder eingestellt werden, wenn's eine gibt auf der Welt, eine Gerechtigkeit, oder?" Mit dieser Frage endet an diesem Abend die rasante, tiefgründige und vergnügliche Geschichte von politischer Verfolgung, perfider Verschwörung und menschlicher Verwerfung.

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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