Der weiße Sport in der Krise:Spiel, Satz - Sieg?

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Die Clubs kämpfen gegen den Abwärtstrend. Die Rettung bringen sollen Jugendarbeit, Spielgemeinschaften - und ein Novum: das regionale Magazin "Tie Breaker"

Anja Blum

Wichtig sein, Champagner trinken, dazugehören: "Was früher einmal der Tennisverein war, ist heute der Golf- oder Reitclub", sagt Bernhard Ganahl und bringt damit den Wandel der Tenniswelt auf den Punkt. Als er noch ein Kind war, habe es als besonders schick gegolten, Mitglied im Tennisclub zu sein. "Damals wurde nicht jeder aufgenommen, außerdem war es ganz schön teuer", erinnert sich der Chef des TC Grafing. Heute jedoch sei Tennis längst nicht mehr so kostspielig und vor allem kein bisschen exklusiv. Deswegen müssten die Vereine, um Mitglieder zu gewinnen, umdenken, so Ganahl. Und sich auf ihre Kernkompetenz besinnen: den Sport. "Es klingt banal, aber es ist so: Das Tennisspielen muss im Vordergrund stehen - aber das haben einige Vereine wohl verschlafen."

Den großen Boom erlebte der Tennissport während der Ära von Boris Becker und Steffi Graf - seitdem geht es bergab. Ein Trend, dem sich auch die Ebersberger Clubs mit aller Kraft und Energie entgegen stemmen. "Integrationsfiguren sind für jede Sportart wichtig. Wenn die fehlen, muss man eben deutlich mehr tun", konstatiert Dieter Schlereth, Vorsitzender des TC Zorneding. 21 Tennisvereine gibt es derzeit im Landkreis, das sind lediglich zwei mehr als im Jahr 2000. Insgesamt haben die Ebersberger Clubs rund 4000 Mitglieder. Die größten sind der SC Baldham-Vaterstetten und der TC Zorneding mit jeweils gut 400 Mitgliedern sowie der TF Markt Schwaben mit fast 350. "Laut diesen Zahlen ist Tennis nach Fußball und Turnen die drittbeliebteste Sportart im Landkreis", sagt Bernt Holley, Vorsitzender der TF Markt Schwaben. Das lasse trotz des allgemeinen Rückgangs in den vergangenen Jahren in eine positive Zukunft blicken.

Es herrscht also in der Ebersberger Tennisszene die Zuversicht, dass es bald wieder aufwärts geht. "Wer etwas tut, hat auch Erfolg", sagt zum Beispiel René Buchmann, neuer Jugendwart beim TC Pliening. Sein Verein habe dank neuer Konzepte und ein wenig Werbung im Gemeindeblatt innerhalb eines Monats 20 Neuanmeldungen zum Kindertraining verzeichnen können, berichtet er. Und dementsprechend engagiert werde man weiter machen. Johann Brand, Chef des TC Ebersberg, prophezeit sogar, dass "in vier, fünf Jahren wieder ziemlich viele Menschen Tennis spielen" werden. Bestätigt fand er diese Einschätzung auch in einem Sportgeschäft: Im vergangenen Jahr habe man so viele Schläger verkauft wie seit Jahren nicht mehr, sei ihm dort gesagt worden.

Entscheidend für den Erfolg eines Tennisclubs ist die Jugendarbeit, da sind sich die Verantwortlichen einig. Denn nur so könne man die unvermeidlichen Austritte kompensieren. In Zorneding etwa kann man seit zehn Jahren die Mitgliederzahl stabil halten - aber nur, weil man sich extrem um den Nachwuchs bemühe, erklärt Schlereth. In Pliening dagegen hat man laut Buchmann die Erfahrung gemacht, dass viele Jugendliche zu anderen Clubs abwandern, wenn vor Ort keine für sie geeignete Mannschaft zusammenkommt.

Konkret gehören zu einer guten Jugendarbeit, wie sie viele Clubs im Landkreis bieten, spielerische Konzepte für die Kleinsten, Kooperationen mit Kindergärten und Schulen, professionelles Training nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, regelmäßige Tenniscamps und nicht zuletzt Turniere sowie Mannschaften für alle Alters- und Leistungsklassen. Es ist ein Anliegen der Ebersberger Vereine, jedem Spielertyp etwas zu bieten. Der SC Baldham-Vaterstetten etwa galt lange als Sprungbrett für junge Talente, doch selbst hier legt man Wert darauf, allen Ansprüchen zu genügen - auch den weniger ambitionierten. "Tennis ist für uns nicht nur Leistungs-, sondern vor allem auch Breitensport", sagt der Baldhamer Trainer Tino Varra. Das Schöne am Tennis sei doch gerade, dass man diesen Sport "super dosieren" könne, erklärt Brand vom TC Ebersberg: vom stressabbauenden Hobby bis zum leistungsorientierten Punktspiel, vom Kind bis zum Senior. Das sieht man in den anderen Vereinen genauso, auch beim TC Grafing etwa sind Freizeitspieler ausdrücklich willkommen: Jeden Montagabend findet ein offenes Training statt.

Über die höchstklassige Herrenmannschaft im Landkreis (Bezirksklasse 1) verfügt derzeit der TC Topspin, ein Verein, dessen Gründung selbst eine Maßnahme zum Selbsterhalt der Tennisclubs war: 2006 wurde er als Kooperation des TC Grafing und des TC Ebersberg ins Leben gerufen, um möglichst vielen in allen Altersgruppen das Spielen zu ermöglichen. In dieser Saison schickt der TC Topspin 19 Teams in 15 Kategorien ins Rennen. "Wenn jeder eine passende Mannschaft findet, bindet das die Spieler an den Verein", sagt der zweite Vorsitzende Ganahl. Ohne diese Fusion hätten das die beiden Clubs nicht geschafft und sicher weiter an Mitgliedern verloren. So aber verzeichne der TC Grafing seit 2006 ein durchschnittliches Wachstum von drei Prozent. Das Modell der weit gefassten Spielgemeinschaft, die auch Training und Clubmeisterschaft gemeinsam organisiert, funktioniert laut Ganahl so gut, dass andere Vereine wie der TC Bruckmühl-Feldkirchen das Konzept nachmachen - woraufhin auch der Bayerische Tennisverband reagierte: Seit diesem Jahr ist für eine solche Kooperation keine neue Vereinsgründung mehr nötig.

Vorreiter sind die Clubs im Kreis nun auch mit einer gänzlich anderen Idee: einem regionalen Tennismagazin. Es trägt den - dem Reglement der Sportart entliehenen - Namen "Tie Breaker", wobei Tie hier für Tennisinitiative Ebersberg steht. Die Publikation, die vergangenes Wochenende das erste Mal erschienen ist, soll dem Tennis im Landkreis wieder mehr Aufmerksamkeit bescheren. Elf Vereine stellen sich darin ausführlich vor, zudem findet man wichtige Termine, allerhand Tipps für Einsteiger, ein Gewinnspiel und Interviews, etwa mit dem tschechischen Spieler Tomáš Berdych, derzeit auf Platz sechs der ATP-Weltrangliste. "Dieses Magazin ist ein absolutes Novum, für das sich jetzt auch schon der BTV interessiert", freut sich Grafikdesigner Brand vom TC Ebersberg, der "Tie Breaker" initiierte. Auch bei den beteiligten Clubs komme das Heft sehr gut an, die Reaktionen seien durchweg positiv. "Damit haben wir im Verbund etwas geleistet, das einer allein nie geschafft hätte", so Brand. Dass die Vereine durch die gemeinsame Werbung in unliebsame Konkurrenz geraten könnten, glaubt der Ebersberger nicht. "Jeder tritt doch da ein, wo er wohnt." Und dass er dort auch herzlich aufgenommen wird, ist heute eine Selbstverständlichkeit.

© SZ vom 27.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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