Boesner-Förderpreis:Im Gespensterwald

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Peter Baumbach will mit seinen Bildern verstören

Rita Baedeker

EbersbergEr kommt geradewegs aus Mailand, ist müde und schwer erkältet. Trotzdem nimmt der Münchner Physiker und Fotokünstler Peter Baumbach den mit 750 Euro dotierten Förderpreis der Firma Boesner mit strahlendem Lachen entgegen. "Das kam total überraschend, schön, dass meine Arbeit anerkannt wird", sagt der Künstler, der schon mehrfach in Ebersberg ausgestellt hat. Prämiiert werden zwei Fotoarbeiten: "Die Blätter fortgerissen" und "Das Grün von tausend Bergen" - es sind Worte aus Haikugedichten, jener Lyrik japanischen Ursprungs, in der Augenblickseindrücke und Stimmungen auf eine kürzestmögliche Formel gebracht werden.

Peter Baumbach hat jahrelang Brillengläser entwickelt, ist Professor für Augenoptik an der Fachhochschule Aalen und erforscht die physiologischen Grundlagen des Sehens. "Das Auge ist so etwas wie eine Kamera mit kompliziertem Computer, der unsere visuellen Eindrücke, unsere Art der Wahrnehmung steuert." Kein Wunder also, dass Baumbach sich auch für die Tücken der Wahrnehmung, für Täuschungen und Brechungen interessiert.

"Wir sind schlecht geschult im Lesen von Bildern, dabei werden wir von ihnen geradezu überschüttet", sagt Baumbach, der nichts hält vom schnellen Ablichten mit der Digitalbox; er arbeitet lieber mit einer Großformatkamera, einer Nachfahrin der unhandlichen Kästen aus jener Zeit, als die Fotografie gerade erfunden wurde. "Das einzige, das an meiner Kamera anders ist als vor hundert Jahren, ist, dass ich keine Platte habe, die ich vorher chemisch beschichten muss", sagt Baumbach. Auch der Film, 20 mal 25 Zentimeter groß, den er benutzt, erscheint wie ein Relikt aus einer fernen Zeit. Die Aufnahmen bearbeitet er digital weiter und druckt sie mit archivfesten Pigment-Tinten und auf Spezialpapier mit Tiefenwirkung. "Normale Farbabzüge in dieser Größe sind gar nicht mehr möglich", erklärt der Künstler.

Das erste Bild zeigt den Nienhagener Gespensterwald an der Ostsee. Hohe kahle Bäume im Vordergrund, in der Mitte steht eine Holzbank, darauf sitzt ein Mann, der eine schwarze Mütze über das Gesicht gezogen hat. "Es ist der feuchte salzige Wind, der die Bäume so geisterhaft aussehen lässt", erzählt der Künstler. Das zweite Bild entstand frühmorgens am Kochelsee. "Es war neblig, regnete, plötzlich kam die Sonne durch und schuf eine leuchtende Grünfärbung. Eine Summe an Glück." Auch auf diesem Bild sieht man im Vordergrund eine Bank, auf der ein Mann liegt. "Der Mensch bin ich", sagt Baumbach. Es ist die Mischung aus Postkartenmotiv und verstörenden Details, die den Reiz seiner Arbeiten ausmachen. "Ich versuche, ein Pendant zum Haiku zu schaffen, Dinge auf den Punkt bringen, aber nicht als schnelle spontane Aktion, sondern in einem langen Prozess." Baumbach will irritieren, will zeigen, dass nicht alles so ist, wie es scheint. "Gerade Fotos machen uns glauben, dass Wirklichkeit und Bild identisch sind."

Das Irritierende in seinen Fotografien, der gesichtslose Mensch, wirkt wie ein Störenfried in der Idylle. Auf Interpretationen will Baumbach sich jedoch nicht festlegen. "Es war einfach mein Gefühl, das Bild so zu machen". Vielleicht drücke sich darin auch eine Verweigerung aus. Normalerweise bewunderten die Leute hier ja das Meer. "Aber angesichts der Holzbank halte ich mir einfach nur die Augen zu, um sie nicht sehen zu müssen. Wie blind und optisch unbeeindruckt muss jemand sein, um in einen solchen Wald eine derartige Bank hinzustellen?", fragt Baumbach. "Wir sehen das vielerorts, dieses geschmacklos schnelle Bauen, dieses unharmonische Klein-Klein, wo das Auge keine Ruhe findet."

Seine Bilder geben den zigtausendfach abfotografierten Motiven Einzigartigkeit und Ruhe zurück. "Ich vertiefe mich in die Komposition. Das hat für mich auch etwas Kontemplatives."

© SZ vom 04.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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