Ausstellung über Widerständler:"Wir müssen uns daran erinnern"

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Bei der Ausstellungsöffnung treffen im Franz-Marc-Gymnasium Angehörige der NS-Opfer aufeinander. Zwei von ihnen erfahren erst dank der Zwölftklässler vom Schicksal ihres Vaters.

Von Isabel Meixner

Sie verteilten Flugblätter oder wurden aus politischen Gründen verfolgt: Bei der Eröffnung treffen Angehörige von NS-Opfern und Schüler aufeinander. (Foto: Catherina Hess)

Wie sich Rudolf Büttner und Ingrid Michalak in diesem Moment wohl fühlen? Zwei Meter von ihnen entfernt liest Robin Würz bei der Eröffnung der Ausstellung "Vergessener Widerstand" die Biografie des NS-Opfers Ludwig Büttner vor - die Geschichte ihres Vaters. Dessen Schicksal haben die Geschwister erst durch die Recherche der Markt Schwabener Gymnasiasten kennengelernt: dass Ludwig Büttner im KZ Dachau inhaftiert war, dass er wegen kleinerer Vergehen mehrmals verhört wurde, dass er den Nazis offenbar ein Dorn im Auge war.

Warum? So recht geht das aus den Anklageschriften nicht hervor. Einmal wurde Büttner verurteilt, weil er einen Sack Weizen gestohlen haben soll; ein weiteres Mal soll er "Lügen über das KZ Dachau" verbreitet haben. Wahrscheinlich ist, dass Ludwig Büttner wegen seiner KPD-Mitgliedschaft verfolgt wurde. Über die Zeit der NS-Diktatur habe sein Vater wenig erzählt, berichtet der Ismaninger Rudolf Büttner, und seine Schwester Ingrid Michalak sagt: "Wir sind erstaunt, was er mitgemacht hat."

Etwa 200 Gäste sind am Freitagabend in die Aula des Franz-Marc-Gymnasiums gekommen, zur Eröffnung des sechsten und letzten Teils der Ausstellungsserie "Vergessener Widerstand in Markt Schwaben und Umgebung". Mit einer szenischen Lesung stellen die Zwölftklässler, die in ihrem Praxisseminar die Ausstellung erarbeitet haben, die von ihnen recherchierten Biografien von sieben NS-Opfern vor. Im Hintergrund werden Bilder aus den Leben der Widerständler an die Wand projiziert.

Ingrid Michalak (links) und Rudolf Büttner erfuhren erst durch die Recherchen der Schüler, dass ihr Vater im KZ inhaftiert war. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Immer wieder streuen die Schüler Zitate aus Gerichtsurteilen oder Zeugenaussagen ein, die wie Hohn klingen in den Ohren der Zuhörer: etwa der nüchterne Brief aus dem KZ Dachau, in dem die Lagerverwaltung einer Mutter den Tod ihres Sohns verkündet und mitteilt, sie werde "gebührenfrei" eine Sterbeurkunde erhalten. Oder die Forderung der Vermieterin von Ursula Huber nach deren Verhaftung, ihre Wohnung unverzüglich auszuräumen: "Für solche Leute haben wir keinen Platz im Haus."

Auf sieben Tafeln haben die Zwölftklässler die Biografien der Widerständler dokumentiert - eine mühsame Arbeit, denn in den meisten Fällen gab es nur einzelne Dokumente, die in den Untiefen von Archiven verborgen waren. Unter den Gästen erschienen bei der Ausstellungseröffnung auch Schüler der fünf vorherigen Projektgruppen sowie Angehörige der NS-Opfer. Zu letzteren zählt Hartmut Schön aus Fürstenfeldbruck, der mit seiner Frau Brigitte kam. Sein Vater Josef Schön war von der Gestapo gefesselt ins KZ Dachau gebracht und anschließend in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert worden. Dabei wurde er Augenzeugenberichten zufolge massiv misshandelt. Schön war wie Büttner Mitglied der KPD.

Seinem Sohn Hartmut Schön bedeutet es viel, dass das Praxisseminar um Geschichtslehrer Heinrich Mayer die Biografien von NS-Opfern untersucht: "Für mich ist es wichtig, dass die Generation nicht vergessen wird." Von der Arbeit der Schüler ist er begeistert: "Wie die sich reingehängt haben - Respekt!" Zu dem Fürstenfeldbrucker und seiner Frau gesellt sich an diesem Abend Besuch aus Frankreich: Caroline Cantoni, deren Großvater sich im KZ mit Josef Schön angefreundet hatte und die extra für die Eröffnung angereist war. Ihr Großvater hatte seine Erinnerungen aufgeschrieben und den Schülern zur Verfügung gestellt. "Das ist unsere Geschichte. Wir müssen uns daran erinnern", fordert Cantoni, die bei der Eröffnung von Schüler Thomas Benzinger interviewt wurde.

Lehrer Heinrich Mayer hatte in den vergangenen sechs Jahren mit zahlreichen Schülern die Zeit der NS-Diktatur in Markt Schwaben und Umgebung aufgearbeitet - ein Thema, das bis zu dem Zeitpunkt gerne tabuisiert wurde, wie er sagt. Die Tafeln der vorherigen Projektgruppen sind ebenfalls in der derzeitigen Ausstellung im Franz-Marc-Gymnasium zu sehen. Auf die Ergebnisse ist Mayer stolz: "Die Arbeit hat Spuren nicht nur bei mir, sondern auch bei den Schülern hinterlassen." Hartmut Schön würdigte das Engagement des Lehrers: "Der Mayer is a guada Leithammel."

Für Ingrid Michalak wird es wohl nicht das letzte Mal sein, dass sie die Ausstellung besichtigt hat: Sie will nochmals mit ihrem Enkel kommen. Für ihn war der NS-Terror bis vor kurzem ein Thema, das sich im großen Berlin und anderswo abgespielt hat. Nun ist er Teil seiner Familiengeschichte.

© SZ vom 27.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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