Die Welt auf kleinstem Raum:Unterwegs in fremden Betten

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Die Ausstellung ,,Grand Hotel - Bühne der Literatur'' zeigt, wo berühmte Schriftsteller Inspiration fanden.

Franz Kotteder

Sind Menschen im Hotel anders als anderswo? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Literaturhaus-Chef Reinhard G.Wittmann spricht zum Beispiel von dem Gefühl, wenn man ein vornehmes Hotel betritt: Da hat man schon gelegentlich den Eindruck, taxiert zu werden, ob man hier überhaupt hingehört.

Andere finden, wie die Ausstellungskuratorin Cordula Seger, große Hotels seien eine Art Spiegel der Welt und der Gesellschaft: ,,Im Hotel kommt alles zusammen - noble Leute, die dort absteigen, die kleinen, einfachen Leute, die sie bedienen. Und da ist Sprengstoff drin.''

Heute, in den modernen Business-Hotels, in denen die Zimmer von Wattenscheid bis Basel sich zum Verwechseln ähnlich sehen, mag das etwas anders sein. Aber diese Art von Beherbungsbetrieben (und dieser Begriff passt hier einmal ganz besonders gut) ist ja auch nicht das Thema der Ausstellung ,,Grand Hotel - Bühne der Literatur'' im Literaturhaus, die von heute an zu sehen ist.

Sondern es geht um die große Zeit der Grand Hotels, so etwa zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals waren die großen Häuser ja nun wirklich noch ,,magische Orte'' für Schriftsteller, wie Wittmann sagt, nur noch vergleichbar der Institution des Kaffeehauses.

Thomas Mann wurde bekanntlich durch einen Aufenthalt im Hotel des Bains am Lido von Venedig zu seinem ,,Tod in Venedig'' inspiriert, Joseph Roth, der viele Jahre seines Lebens ausschließlich im Hotel lebte, empfing seine Verleger immer in der Halle, weil sein Zimmer zu klein und schäbig war, und Vicki Baum schrieb den wohl populärsten aller Romane zum Thema, ,,Menschen im Hotel''.

Diese drei gehören zwangsläufig auch zu den zehn Hauptprotagonisten der Ausstellung im Literaturhaus. Auch die anderen sieben sind bekannte Namen: Arthur Schnitzler, Marcel Proust, Stefan Zweig, Vladimir Nabokov, Agatha Christie, Friedrich Dürrenmatt und Klaus Mann.

Zählt man diese Namen so auf, mag der Eindruck entstehen, da werde das Thema anhand einiger vertrauter Namen brav abgearbeitet, aber das ist erfreulicherweise nicht so. Wittmann und Seger, die beiden Ausstellungsmacher, haben vielmehr den Untertitel ,,Bühne der Literatur'' ernst genommen und auf die Anhäufung von Bildungsschrott zu den einzelnen Autoren klug verzichtet.

Die Ausstellungsarchitekten Florian Wenz und Constanza Puglisi haben ihnen mit viel rotem Vorhangstoff eine Bühnensituation in die schmale Galerie des Literaturhauses gezaubert, die kongenial zu den sechs Stationen passt.

Wie es sich gehört, betritt man das Hotel durch die ,,Drehtür'', gelangt über die ,,Rezeption'' in die ,,Halle'', kommt am ,,Restaurant'' vorbei und nimmt dann den ,,Lift'' zur ,,Suite''. Und an jeder dieser Stationen begegnet einem mindestens einer der zehn Autoren, die den jeweiligen Aspekt dieses besonderen Mikrokosmos' namens Hotel auch besonders betrachtet haben.

Mit kurzen, prägnanten Zitaten aus den Werken, mit alten Fotografien, Briefen, diversen typischen Requisiten aus den Grand Hotels, wie etwa einem Schlüsselbrett oder einem Zeitungsschrank, und auch mit Filmausschnitten wird hier mehr eine Stimmung vermittelt als reines Faktenwissen.

So steht man etwa im ,,Restaurant'' vor den beschlagenen Fensterscheiben, durch die die kleinen Leute in die Welt der Reichen schauen, wie sie Marcel Prousts ,,Im Schatten junger Mädchenblüte'' beschreibt.

Und im ,,Lift'', der etwa in Joseph Roths Roman ,,Hotel Savoy'' eine fürwahr tragende Rolle spielt, sieht man sich einer hohen Vitrine gegenüber, vor der man sich bücken muss, will man etwas über die Welt der Liftboys erfahren, und strecken, so man die Exponate zu geldigen Bewohnern der oberen Etagen sehen will. Nur die ,,Suite'', das muss man sagen, ist mit einer einfachen Vitrine vielleicht doch ein wenig sparsam möbliert...

Die ganze Ausstellung durchzieht ein Fries aus zumeist bunten, vergrößerten Ansichtskarten von berühmten Grand Hotels aus aller Welt, dazwischen eingestreut Zitate von anderen Autoren, die sonst in der Ausstellung nicht auftauchen.

Das alles macht ziemlich Lust darauf, selbst noch einmal nachzulesen, wie sich die verschiedenen Hotels in den einzelnen Büchern zu imaginären Orten gewandelt und zugleich dann doch wieder dort materialisiert haben. Und damit ist der Sinn einer Literaturausstellung schließlich voll und ganz erreicht.

Ergänzt wird die Ausstellung durch einen opulenten Katalog und ein umfangreiches Rahmenprogramm, im Literaturhaus vor allem mit Literaturverfilmungen. Aber, so Reinhard G.Wittmann, im Zuge der Vorbereitung haben sich die Begleitveranstaltungen ,,ausgewachsen zu einem fast stadtweiten Programm''.

Denn die Anfrage beim Münchner Hotel- und Gaststättenverband stieß auf reges Interesse: Insgesamt 16 Hotels unterschiedlicher Kategorien machen nun bis Mitte Juni eigene Veranstaltungen zum Thema, von der Lesung bis zur Event-Nacht.

www.literaturhaus-muenchen.de/hotel

© SZ vom 29.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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