Der neue "Valentin"-Film:"Vorliebe für Außenseiter"

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Regisseur Jo Baier hat mit "Liesl Karlstadt und Karl Valentin" die Beziehung der beiden Münchner Komiker verfilmt. In der weiblichen Hauptrolle ist Shootingstar Hannah Herzsprung zu sehen. Am 25. Juni hat das Werk auf dem Filmfest Premiere.

Beate Wild

sueddeutsche.de: Ihr neuer Film "Liesl Karlstadt und Karl Valentin" hat am 25. Juni 2008 auf dem Münchner Filmfest Premiere. Was hat Sie an der Person Karl Valentins gereizt?

Karl Valentin (Johannes Herrschmann) und Liesl Karlstadt (Hannah Herzsprung) beim Sketch "Die Orchesterprobe". (Foto: Foto: BR)

Jo Baier: Valentin hat mich schon immer interessiert, weil er etwas Einmaliges hat. Er ist nicht einfach nur ein Komiker, wie der Weiß-Ferdl ( der bekannt wurde durch das Lied "Ein Wagen von der Linie 8", eine Hymne auf die Münchner Trambahn, Anm. d. Red.), seine Stücke haben eine ganz andere Qualität.

sueddeutsche.de: Sein Humor kam aber damals nicht bei jedem an.

Baier: Er ist vor allem immer von den Intellektuellen bewundert worden, nicht so sehr von den "normalen" Leuten. Es gibt Briefe aus den zwanziger Jahren, wo ihm Leute schrieben: "Sie sind ja gar nicht komisch, Sie spielen doch einfach nur das normale Leben nach." Er hat den Menschen sehr genau zugesehen, er konnte wunderbar beoabachten und hat die Welt, in der er sich bewegt hat, sehr gut beschrieben. Vor allem die Schwierigkeiten dieser Welt, er ist ein Tragikomiker.

sueddeutsche.de: 1982, zu seinem 100. Geburtstag, haben Sie bereits einen Dokumentarfilm über ihn gemacht. Was ist nun der Unterschied zu Ihrem neuen Film?

Baier: Damals hab ich mit Leuten gesprochen, die ihn noch gekannt haben: Mit Schauspielern, der Schwester von Liesl Karlstadt, einer Sekretärin und Annemarie Fischer, die seine letzte Geliebte gewesen ist. In dem jetzigen Film gibt es fiktionale Elemente und es geht nicht alleine um Valentin, sondern auch um seine Partnerin Liesl Karlstadt.

sueddeutsche.de: Beleuchten Sie darin die Liebesbeziehung der beiden?

Baier: Es geht sowohl um die künstlerische als auch um die private Beziehung. Sie waren aufeinander angewiesen. Obwohl er eigentlich mit Gisela Royes, der Mutter seiner beiden Kinder, verheiratet war, hatten Karlstadt und er lange Zeit eine Verhältnis. Das Groteske ist, dass diese Liaison im gleichen Jahr, also 1911, begonnen hat, in dem er heiratete.

sueddeutsche.de: Wie lange dauerte denn diese Affäre?

Baier: Ganz schön lange, bis in die dreißiger Jahre. Es gab mal von Karlstadt Versuche - das erzählen wir auch im Film - sich von Valentin zu lösen. Sie war zwischendurch mit einem Chauffeur liiert und hätte diesen auch gerne geheiratet, aber Valentin hat dann interveniert und ihr diese Ehe verboten. Und sie hat sich tatsächlich daran gehalten. Letzten Endes ist sie alleine geblieben.

sueddeutsche.de: Gibt es in dem Film auch Sketche der beiden zu sehen?

Baier: Klar, da kommt man bei einem Valentin-Film nicht darum herum. "Der reparierte Scheinwerfer" ist beispielsweise dabei, und "Die Orchesterprobe".

sueddeutsche.de: Valentin und Karlstadt waren geniale Komiker, doch in München hat man sich bislang mit der Verehrung der beiden zurückgehalten. Wollten Sie das mit Ihrem Film ändern?

Baier: München hat die beiden wirklich nicht besonders hofiert, das kann man so sagen. Auch das "Valentin Musäum" ist keine Angelegenheit der Stadt München, sondern entstammt einer privaten Initative. Valentin und Karlstadt sind so außergewöhnlich, ich wollte sie mit meinem Film vor allem auch der jüngeren Generation näher bringen.

sueddeutsche.de: Können junge Leute über die Witze von damals überhaupt noch lachen?

Baier: Die Witze von Valentin waren ja nie Schenkelklopfer. Das was ihn ausmacht, war seine Art, die Welt zu sehen. Er hat nicht einfach nur Comedy gemacht, er hat die Sachen hinterfragt, und das können junge Leute gut nachempfinden.

sueddeutsche.de: Wo haben Sie den Film gedreht?

Baier: Vieles haben wir in der Danklstraße in Sendling und im Bavaria-Filmstudio gedreht. In seinem alten Haus in Planegg konnten wir leider nicht filmen, diese Aufnahmen haben wir in Laim gemacht.

sueddeutsche.de: Die Hauptrolle spielt Johannes Herrschmann. War es schwer, den Valentin zu besetzen?

Baier (lacht): Sauschwer. Wir haben auch ganz lange gesucht. Das Äußere, die richtige Statur war wichtig, zudem musste der Schauspieler das Münchnerische beherrschen und sowohl die Sketche als auch Valentin als Privatperson spielen können. Herrschmann macht das ganz hervorragend.

sueddeutsche.de: Die weibliche Hauptrolle der jungen Liesl Karlstadt spielt Shootingstar Hannah Herzsprung. War das Ihre Wunschkandidatin?

Baier: Ja, meine absolute Wunschkandidatin. Da bin ich draufgekommen, als ich ein Bild der jungen Karlstadt aus dem Jahr 1911 gesehen hab. Die beiden haben eine unglaubliche Ähnlichkeit. Das Witzige war, dass ich meine Anfrage schon kurz vor Herzsprungs großem Durchbruch machte. Ich hatte ihren Film "Vier Minuten" gesehen und war sehr begeistert von ihr. Auch sie hat sich sehr über die Zusammenarbeit gefreut, weil Münchnerisch ja ihre Muttersprache ist.

sueddeutsche.de: Vor Valentin haben Sie schon den Hitlerattentäter Stauffenberg und den Volksschauspieler Sedlmayr porträtiert. Haben Sie eine Vorliebe für Außenseiter?

Baier (lacht): Allerdings. Ich habe eine Vorliebe für Leute, die gelegentlich gegen den Strom schwimmen, wenn sie der Meinung sind, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

sueddeutsche.de: Derzeit sind Sie viel unterwegs, weil Sie das Leben des französischen Königs Henri Quatre verfilmen. Sind Sie trotzdem beim Filmfest in München dabei?

Baier: Zur Premiere unseres Films am 25. Juni komme ich zusammen mit meinen Hauptdarstellern nach München. Aber Zeit, mir andere Filme anzusehen, habe ich wegen der Dreharbeiten leider nicht.

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