Der Gasteig brummt:Quietschen, tröten, pfeifen

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Im Gasteig haben Kinder die Möglichkeit, Musik von allen Seiten kennenzulernen. Überflüssig, zu sagen, dass es dabei etwas lauter zugeht.

Violetta Simon

Zart erklingen die ersten Klänge von Beethovens "Pastorale" im Carl-Orff-Saal des Münchner Gasteigs. Bei der Generalprobe der Münchner Symphoniker herrscht höchste Konzentration - allerdings nur auf der Bühne. Die Disziplin des Publikums hingegen lässt einiges zu wünschen übrig: Es wird gewispert, geraschelt, gekichert und gezappelt. Denn auf den Stühlen sitzen heute keine erwachsenen Musikliebhaber, sondern Kindergartenkinder und Schüler.

"Der Gasteig brummt!" - so das Motto der heutigen Veranstaltung. Und nicht nur das: Er quietscht, schrammelt, trötet, summt und pfeift. Auf den Fluren und im Foyer quillt aus allen Ecken ein wilder Geräuschbrei, der das gesamte Gebäude erfüllt.

Mittendrin, wie ein Fels in der Brandung, sitzt Thomas Hahn. Der Instrumentenmacher-Meister hält eine imposante Tuba auf seinem Schoß, die heute einiges aushalten muss: Ein Haufen Kinder wartet darauf, dem 5,20 Meter langem Blechschlauch ein Geräusch zu entlocken. Ein Knirps presst seine Lippen ins Mundstück, bläst, der Kopf wird rot, es tutet. Wunderbar, der nächste bitte. Bevor die kleine Marie drankommt, demonstriert Hahn kurz die Technik: Er schürzt die Lippen, lässt sie locker und atmet kräftig aus. So in etwa hört sich ein schnaubendes Pferd an.

Schlottern, wischen, tröten

Beim zweiten Versuch entlockt das Mädchen der Tuba ein tiefes Dröhnen. Gut gemacht! Hahn wischt das Mundstück ab, zeigt dem nächsten die Schlotterlippe. Tröööt. Sehr gut! Der nächste. Mundstück abwischen, Schlotterlippe. Tuuut. Mundstück abwischen, Schlotterlippe. So geht das seit 9 Uhr, und so wird das weitergehen bis zum nachmittag.

Kein Wunder, dass sich Thomas Hahn ein kleines Weißbier in Reichweite gestellt hat, um sich zwischendurch zu erfrischen. Als Geschäftsführer des Metall- und Holzblasinstrumente-Unternehmens "Münchner Blech" ist er es gewohnt, mit seinem Team unterwegs zu sein. Doch eine Veranstaltung wie diese ist besonders anspruchsvoll. Pause machen ist bei so einem Andrang nicht drin.

"Als wir vor drei Jahren hier zum ersten Mal waren, wussten wir nicht, was da auf uns zukommen würde", erzählt Hahn. "Die Türen gingen um 9 Uhr auf, die Kinder strömten rein und haben uns in Viererreihen umzingelt. Das ging so durch bis zum Mittag. Es ist unglaublich, wieviele Kinder dieses Angebot nutzen." Eine gute Möglichkeit für Hahn und sein Team, den musikalischen Nachwuchs zu erreichen. "Wir versuchen, den Kindern die Musik nahe zu bringen und ihnen zu zeigen, dass es jeder kann", sagt Hahn. Im nächsten Moment lässt er bereits wieder die Lippen schlackern, hebt die Augenbrauen und ermutigt einen Jungen: "Nicht aufgeben, versuch´s nochmal!"

Formel-1-Lärm in den Gängen

Aus den oberen Etagen hört man summende Huiiii-Geräusche. Eine Kinderschar rennt durch die Gänge und bläst in goldene Blechtröten. Es klingt wie beim Start eines Formel-1-Rennens. Sicherheitspersonal und mehrere Mitarbeiterinnen versuchen, das Chaos in den Griff zu bekommen. Hinter den Glastüren soll Ruhe herrschen - in den meisten Räumen finden Veranstaltungen statt. Jazz für Kinder, Bühnentechnik, Märchenimprovisationen und vieles mehr - alle sind restlos ausgebucht.

Im Laufe des Tages wird das Publikum sich ein wenig verändern, die Schüler werden weniger, Ältere und Erwachsene rücken nach, um sich den Angeboten "Jazz am Abend" oder "Elementares Singen" zu widmen. Und dann, endlich, wird Ruhe einkehren. Und vom Brummen wird nur noch ein Summen zurückbleiben, das in den leergefegten Gängen des Gasteigt widerhallt - und in den Ohren jener, die einen ganzen, geräuschvollen Tag dort verbrachten.

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