Karlsfeld:Volksfest statt Unterricht

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Am "Trachtentag" haben die Jugendlichen der Mittelschule Karlsfeld ein Riesenprogramm organisiert.

Von Andreas Förster

Eine Modenschau war eine Attraktion des Trachtentags an der Karlsfelder Mittelschule in der Krenmoosstraße. (Foto: Toni Heigl)

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu. Die Pfingstferien stehen an, danach beginnen die Abschlussprüfungen. Was bietet sich also mehr an, als vor dem stressigen Endspurt einfach mal alle Fünfe gerade sein zu lassen? So sieht man beim Trachtenfest trotz kühler Witterung viele fröhliche Gesichter auf dem Schulhof der Mittelschule Karlsfeld.

"32 Cocktails haben wir schon verkauft", verkündet Marvin stolz. Zusammen mit seinen Klassenkameraden von der 9b kümmert er sich seit einer Stunde um die Cocktail-Bar. Ja, mit etwas besserem Wetter habe man schon gerechnet. Aber der Freude am Mixen tut das keinen Abbruch. Marvin kassiert, ein Euro pro Cocktail, zwei Mädels mischen die alkoholfreien Getränke - stilecht mit Shaker und frischen Früchten. Etwas fröstelnd stehen sie am Biertisch, die Gänsehaut im Kontrast mit den kurzen Ärmeln des Dirndls. Improvisation ist halt alles an so einem Tag. "Die Rezepte haben wir aus dem Internet oder selbst erfunden", erklärt Marvin. Bald werden sie abgelöst und können sich in der Aula etwas aufwärmen.

Linda Krause, Mathelehrerin der 5g, lächelt tapfer trotz ihres sommerlich dünnen Outfits. Eine Stola vor dem Dekolleté wär' jetzt schon recht. "Als ich heute früh um 7 Uhr in Ingolstadt losgefahren bin, war es sonnig bei 13 Grad." Ja, da hat sie sich sauber verrechnet. Besonders beliebt sind daher die sportlichen Aktivitäten, die überall angeboten werden: Fingerhakeln, Maßkrugstemmen, Brezn-Schnappen, Dosenwerfen. Bald herrscht eine ausgelassene Stimmung wie auf dem Volksfest. Das Fingerhakeln leitet Stefan aus der 5a. "Wie man das macht, hab ich bei meinem Opa gelernt", versichert der Elfjährige. Beim Vorführen des Hakelns wird der schmächtige Bub in seiner Krachledernen und der wollig warmen braunen Trachtenweste von einem Mädchen, das einen Kopf größer ist als er, fast über den Tisch gezogen. Da hilft auch das Magnesium an den Händen nix. Egal, der Spaß zählt. Und den haben sie alle, vielleicht auch, weil jeder eine Aufgabe hat.

"Die Jugendlichen haben hier praktisch alles selbst organisiert", erklärt Rektor Peter Wummel. Das sei sozusagen das pädagogische Konzept hinter dem schulfreien Tag. Jede Klasse oder auch einzelne Schüler konnten sich eine Aktivität fürs Trachtenfest aussuchen, die sie selbst vorbereiteten. So gibt es neben dem bayerischen Wurstsalat auch viele ausländische Spezialitäten, vor allem aus der Türkei. Sinan und seine Mitschüler aus der 10b bieten an ihrem Stand türkische Pizza, Börek und schwarzen Chai Tee an. Dass ihre Eltern aus Vietnam, Rumänien, Kroatien und Italien stammen, spielt hier keine Rolle. Heute sind Essen und Getränke eben türkisch.

Mehr als die Hälfte der fast 290 Schülerinnen und Schüler der Mittelschule Karlsfeld haben einen Migrationshintergrund. So sind auch die Trachtenträger heute etwas in der Unterzahl. Immerhin: Eine Schülerin aus Afghanistan trägt einen hübschen grünen Sari mit passendem Kopftuch; sonst herrschen eher Jeans, Sweatshirt und Lederjacke vor. Auch das ist unter Jugendlichen ja wie eine Art Tracht.

Eine Attraktion sticht unter den vielen selbst gebauten Ständen und Buden besonders heraus: Es ist die erst im vergangenen Herbst eröffnete zwölf Meter hohe Kletterwand. Hier kann man sich frische Brezn vom Bio-Bäcker ergattern. Allerdings muss man dazu erst Mut und Selbstüberwindung beweisen und - gesichert durch Halteseil und Klettergurt - mindestens fünf Meter senkrecht die quietschbunte, von unterschiedlich großen Haltegriffen übersäte Wand erklimmen. Christian Steinberger, Sportlehrer und selbst erfahrener Hobby-Kletterer, weist die Jungs und Mädels ein, zeigt ihnen, wie sie sich gegenseitig halten können. Hier beweist sich einmal mehr der vorbildliche Charakter der Modellschule Karlsfeld: Nicht nur kognitive Fähigkeiten vermitteln, sondern über Projektarbeit soziale Kompetenzen fördern; Verantwortung übernehmen für sich und andere und selbständiges Handeln. Auch aus dieser Perspektive wird das sicher nicht der letzte Trachtentag an dieser Schule gewesen sein.

© SZ vom 03.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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