Büsten-Fake in der Ruhmeshalle:Dieser Charakterkopf!

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Eine Kunststudentin stellt ihre Büste mitten in die Ruhmeshalle, in die Ehrengalerie der Staatsmänner, Feldherrn und Dichter - und keiner bemerkt es.

Wolfgang Görl

Gebildete Oktoberfestbesucher betrachten die Ruhmeshalle an der Bavaria meist mit Missmut, weil dort der in Marmor gehauene Lockenkopf des Bierfabrikanten Joseph Pschorr aufgestellt ist, während sie selbst, als dessen beste Kunden, nicht einmal mit einer klitzekleinen Terrakottafigur vertreten sind.

Wär' das nicht schön, eine Büste von sich selbst zu betrachten, am liebsten jeden Tag? (Foto: Foto: Rumpf)

Natürlich richtet sich der Ärger nicht gegen den seligen Herrn Pschorr persönlich, der wegen seines Bieres ebenso fraglos in die Galerie der wichtigsten Bayern gehört wie etwa der große Landsknecht Georg von Frundsberg, der in der Ruhmeshalle eine schöne Gedenktafel hat. Gleichwohl ist es beklagenswert, dass nur die Großkopferten einen Marmorkopf kriegen, wohingegen der kleine Mann seine Zeche zahlt, ohne jemals auf ein Denkmal hoffen zu dürfen.

Mehr Freude am Leben

Dabei hätte gerade der gewöhnliche Münchner wieder mehr Freude am Leben, wäre auch sein Porträt an die Wand der Ruhmeshalle montiert. Dieser Charakterkopf! Diese edlen Züge! Verzückt würde er das alles betrachten, am liebsten täglich.

Leider ist zu vermuten, dass Bayerns Kabinett, wiewohl stark sozialistisch geprägt, einer Öffnung der Ehrengalerie für Köpfe aus der Mitte des Volkes reserviert gegenübersteht. Aber das braucht keinen mehr zu kratzen, seit die Münchner Kunststudentin Aneta Steck vorgemacht hat, wie man unter Umgehung des großen Dienstwegs hineinkommt. Sie hat einen Gipskopf von sich modelliert und die Büste im Morgengrauen zu den steinernen Helden in die Ruhmeshalle gestellt.

Dort stand sie knapp sieben Monate, bleich und stumm inmitten von Feldherrn, Dichtern und Staatsmännern, und keiner hat den Schwindel bemerkt. Wie auch? Welcher Besucher hätte sich die Blöße gegeben, die Künstlerin Aneta Steck nicht zu kennen? Da wäre man ja schön blamiert, zumal man bereits vor der Büste des Vizekanzlers Kreittmayr gewisse Bildungslücken offenbaren musste. Wenigstens weiß jeder kultivierte Münchner, dass es sich bei dem ebenfalls die Ruhmeshalle zierenden Grafen Rumford um einen berühmten Suppenkoch handelt.

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Mit ihrer Aktion ist Aneta Steck auf dem Denkmalsektor zu dem geworden, was der wundervolle Monsieur Claude in der Höhenluft des politischen Gipfeltreffens war. Monsieur Claude respektive Claude Khazizian, ein pensionierter Wettbüro-Angestellter, verfügte über die Gabe, das diplomatische Parkett zu betreten, ohne eingeladen zu sein. Sein größter Coup gelang ihm am 8.Mai 1995, als er gemeinsam mit Mitterrand, Chirac, Kanzler Kohl&Co. zum Gruppenfoto für die Weltpresse posierte. Auf die Politik hatte Monsieur Claude wenig Einfluss, das muss man, pardon, feststellen.

Anders Frau Steck: Undenkbar, dass nach ihrem Geniestreich nochmal so eine peinliche Debatte aufkommt wie im vergangenen Jahr, als es um die Aufnahme Heinrich Heines in die Walhalla ging. Aber damals wusste niemand, dass es genügt hätte, eine Heine-Büste zu kaufen und sie einfach hineinzustellen. Heute ist man schlauer. Was die künftige Ausstattung der Münchner Ruhmeshalle betrifft, so bitten wir Bildhauer, die auf Köpfe von Journalisten spezialisiert sind, sich in der SZ-Lokalredaktion zu melden.

© SZ vom 8.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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