Buch über den Stenz:Vorsicht bei der Wiesnmaid!

Lesezeit: 4 min

Ideales Revier für Stenze: die Wiesn (Foto: Getty Images)

A bisserl was geht allerweil! Thomas Grasberger, eigentlich Grant-Experte, beschäftigt sich jetzt mit "der Lust des Südens": Er hat ein Buch über den Stenz geschrieben. Ein Gespräch über die bayerische Version des Playboys, warum man sich im Süden als Frauenheld leichter tut und das Jagdgebiet Oktoberfest.

Von Beate Wild

Italien ist berühmt für seinen "Latin Lover", und natürlich ist es klar, dass München dazu ein Pendant braucht, wenn die Stadt schon ständig mit dem Klischee von der nördlichsten Stadt Italiens hausieren geht. Und tatsächlich findet sich hier seit Urzeiten die Figur des bayerischen Stenzes, einem engen Freund der heimischen Frauenwelt. Mal trickreich, ohne ein reiner Schürzenjäger zu sein, mal verständnisvoll, ohne als Frauenversteher zu gelten. Der Münchner Journalist Thomas Grasberger, 49, Verfasser eines recht erfolgreichen Buches über den bayerischen Grant, hat sich jetzt auch des Stenzes angenommen und ein Buch über das Phänomen dieser sehr bayerischen Version eines Frauenhelden geschrieben.

Herr Grasberger, ist der Stenz eine Erfindung von Regisseur Helmut Dietl?

Thomas Grasberger: Das könnte man fast meinen. Egal, mit wem man redet, sofort kommt die Sprache auf Dietls Serie "Monaco Franze". Das ist nicht mehr zu trennen, scheint es. Aber erfunden hat der Dietl den Stenz nicht. Mit meiner Kulturgeschichte von Liebe, Lust und Leidenschaft im Süden will ich auch zeigen, dass es den Stenz schon wesentlich länger gegeben hat.

Was genau ist denn eigentlich ein Stenz?

Der Monaco Franze verkörpert die harmlose Stenz-Variante. Das Wort "Stenz" kommt aus dem Rotwelsch und bedeutet "Stock, Wanderstab", was natürlich eine erotische Anspielung auf das männliche Geschlechtsteil ist. In dem Begriff Stenz schwingt aber auch immer ein bisschen der Gauner, der Kleinstadt- und der Großstadtcasanova, der Flaneur, der Hallodri mit.

Der Monaco Franze und sein Spatzl: Ruth Maria Kubitschek und Helmut Fischer. (Foto: dpa)

Also ein bayerischer Playboy.

Kann man so sagen. Ein Mann, der einen Schlag bei Frauen hat. Aber es gibt durchaus auch den kleinkriminellen, bösartigen Typus. Das ist dann mehr der Strizzi, der Zuhälter. Das Wörterbuch der deutschen Umgangssprache aus den 1950er Jahren kennt den Stenz ausschließlich als Zuhälter. Aber im Bairischen sind wir da ein wenig toleranter, haben mehr Bedeutungen für den Stenz.

Wann tauchte der erste Stenz der Geschichte auf?

Wahrscheinlich mit den ersten Männern (lacht). Genau datieren kann man das nicht, aber wenn Sie die Lex Baiuvariorum, das bairische Stammesrecht aus dem frühen Mittelalter, anschauen, da gibt es tatsächlich Passagen in denen es etwa heißt: "Wenn einer beim Weibe eines anderen liegt". Solche Vergehen werden in der Lex Baiuvariorum mit einem Bußgeld geahndet. Und da haben wir dann auch schon die frühen Formen des Stenztums.

König Ludwig, der unter anderem mit Lola Montez eine Affäre hatte, war demnach auch ein Stenz?

Ja, unbedingt! Ich glaube, es gibt durchaus auch adlige Stenze. Schon die Kurfürsten Max Emanuel und Karl Albrecht waren ausgesprochene Womanizer. Aber der "Stenz royal" schlechthin war wohl Ludwig I. Ein großer Frauenliebhaber!

Woran erkennt der Stenz eine "gmahde Wiesn", also ein potenzielles Opfer?

Intuitiv, aus Erfahrung, das hat er im Blick.

Nörgeln in Süddeutschland
:"Bayern ist ohne Grant nicht denkbar"

Ja mei, es hilft ja eh nichts. Bayern ist das Volk der Grantler. Der Münchner Autor Thomas Grasberger hat nun ein Buch über den Blues des Südens geschrieben. Warum "Du Grantler" keine Beleidigung ist, wer Bayerns Vorzeigenörgler sind und worüber er selbst schimpft.

Lisa Sonnabend

Ist der Stenz sexsüchtig oder sucht er nur Selbstbestätigung?

Ich glaube nicht, dass er sexsüchtig ist. Seine Motivation ist eher das Spiel mit den Frauen. Das Flirten. Nicht der Zweck heiligt die Mittel, sondern genau andersrum.

Und dieser Mann macht sich dann aus dem Staub, wenn es ihm mit einer Frau zu ernst wird.

Ja freilich, was sonst? Und die ganz halbseidenen Stenze haben sogar das Zeug zum Heiratsschwindler. In meinem Buch zum Beispiel erzähle von einem gewissen Graf Bodo, der in den 1930er Jahren auf recht abenteuerliche Weise versucht hat, Frauen herumzukriegen.

Wer ist ein typischer Stenz im Jahr 2013?

Da werde ich jetzt sicher keine Namen nennen (lacht), aber in der Münchner Szene gibt es schon einige.

Ist eine Lederjacke auch heute noch das beste Outfit für einen Stenz?

Die kommt auf jeden Fall immer noch ganz gut an. Aber Vorsicht! Mit der Lederjacke ist es wie mit der Tracht - sie steht nicht jedem!

Und der Fasching, ist das nach wie vor eine gute Gelegenheit, um auf die Jagd zu ge hen.

Gibt es heute überhaupt noch einen Fasching in Bayern? Der ist doch längst abgelöst worden vom Oktoberfest. Was früher die sogenannte Faschingsbraut war, ist heute die Wiesnbraut.

Promis auf dem Oktoberfest
:Fernanda mit Samthut

Leslie Mandoki feiert mit Ilse Aigner, Heino bleibt sich treu und Fernanda Brandao interpretiert Tracht sehr eigenwillig. Wie sich die Promis auf dem Oktoberfest amüsieren.

Sie würden das Oktoberfest also als Jagdgebiet empfehlen?

Nein, nicht ich empfehle es. Es empfiehlt sich von selbst. Aber Obacht! Schon im Jahr 1911 werden in der Oktoberfest-Literatur Warnungen ausgesprochen, dass sich der Stenz vor der Wiesnmaid in Acht nehmen soll.

Der Stenz vor der Wiesnmaid? Doch wohl eher umgekehrt?

Nein, nein, die Wiesnmaid gilt - zumindest damals - durchaus als gefährlich. Es heißt, sie schreie nach Opfern.

So so, der Stenz plötzlich als das Op fer.

Na ja, gewissen Jungstenzen, also quasi Stenz-Lehrlingen, muss man vielleicht schon noch Warnungen mit auf den Weg geben.

Gibt es eine Altersobergrenze für den Stenz?

Ein Grenzerlebnis für den Stenz könnte so ausschauen: Er fährt in der U-Bahn, plötzlich steht eine junge, hübsche Frau auf, kommt auf ihn zu - und bietet ihm den Sitzplatz an. Das ist wahrscheinlich die Situation, in der er in eine große Krise schlittert. Aber ob er dann wirklich mit der Stanz aufhört? Wohl kaum. Denn wer kennt das nicht: Tattergreise, die im Supermarkt einer jungen Frau immer noch schöne Augen machen. Schließlich ist diese Lebenseinstellung bis zum Schluss Programm.

Nach der Lektüre Ihres Buches hat man den Eindruck, dass eine Eigenschaft absolute Voraussetzung für einen Stenz ist: Er muss ein echter Bayer sein. Haben Preußen gar keine Chance?

Voraussetzung ist es nicht, aber man tut sich im Süden wesentlich leichter (lacht). Vermutlich liegt es am schönen Klang der bairischen Sprache Oder kennen Sie vielleicht eine Stadt, in der so viele Stenze ein Denkmal bekommen haben, wie in München? Wo man Figuren, die durchaus halbseiden sind, mit so viel Sympathie und Augenzwinkern begegnet? Vielleicht noch Wien, da gibt es auch den typischen Vorstadtstrizzi. Sagen wir mal so: Der bairischsprachige Süden istas natürliche Habitat für Stenz.

Thomas Grasberger: "Stenz. Die Lust des Südens", Diederichs Verlag, 270 Seiten; Lesung: Donnerstag, 26. September, 19.30 Uhr, Vereinsheim, Occamstr. 8, München

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: