Brisante Aussagen des Soko-Chefs:Gammelfleisch auf dem Oktoberfest

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Wie schmeckte denn Ihr Hendl, voriges Jahr auf dem Oktoberfest? Laut Soko-Chef Wilfling war unter anderem auch dubiose Ware aus dem Kühlhaus Bruner weit verbreitet.

Bernd Kastner

Mehr als 96 Tonnen vergammeltes Fleisch haben sie gefunden im Kühlhaus Bruner in der Johanneskirchener Musenbergstraße, und 72 Tonnen ebenso ungenießbare nicht-tierische Lebensmittel. Im August und September 2006 wurde der bislang größte Fund von Gammelfleisch in München publik.

(Foto: Foto: ap)

Doch die polizeilichen Ermittlungen haben mehr zu Tage gefördert als die schiere Menge des Ekelfleischs: Zum Beispiel auch Schlampereien bei Behörden und pikante Details über den Weg der Ware bis aufs Oktoberfest oder zu Robbie-Williams-Konzerten. Das wurde gestern im Gammelfleisch-Untersuchungsausschuss des Landtags deutlich. Dort sagte Josef Wilfling aus, seines Zeichens Chef der Münchner Mordkommission, im vergangenen Herbst aber auch Leiter der Soko Kühlhaus.

Es dauerte laut Wilfling mehr als zwei Wochen, ehe nach dem ersten Hinweis auf Gammelfleisch die richtige Behörde tätig wurde. Ein Bruner-Mitarbeiter wandte sich am 8. August an die Polizei in Gröbenzell, dort aber wurde ein entsprechender Vermerk am 12. August an die falsche Behörde geleitet. Es dauerte bis zum 24. August, ehe das Kreisverwaltungsreferat (KVR) via Regierung von Oberbayern informiert wurde und Kontrolleure gen Johanneskirchen schickte.

Die Ermittlungen werfen laut Wilfling auch ein bezeichnendes Licht auf die amtlichen Kontrollen in der Vergangenheit. Die entsprechenden Aufzeichnungen bei der Regierung von Oberbayern und dem KVR widersprächen sich teilweise, mitunter seien sie lückenhaft. So seien zwar Kontrollen vermerkt, es fehlten aber die Protokolle mit den Ergebnissen. Unterm Strich habe es all die Jahre "keine Beanstandungen" von offizieller Seite gegeben, so Wilfling. Und das, obwohl nach Erkenntnissen der Polizei es "seit Jahrzehnten" Geschäftspraxis bei Bruner gewesen sei, Gammelfleisch zu verkaufen.

Ein Beamter geriet in Verdacht, mit Bruner gemeinsame Sache gemacht zu haben, da er seine Prüfbesuche angekündigt habe. Ob dies erlaubt sei oder nicht, darüber gingen die Meinungen in den Behörden auseinander, so Wilfling. Am Ende aber sei herausgekommen, dass sich der Beamte keiner Vorteilsnahme schuldig gemacht habe, sondern nur "zu vertrauensselig" gewesen sei.

Kühlhausbetreiber Georg Bruner, der sich kurz nach Bekanntwerden des Skandals im Alter von 74 Jahren das Leben nahm, hatte mehr als 2500 Kunden. Es ist davon auszugehen, dass vergammeltes Fleisch aus Johanneskirchen von sehr vielen Menschen in halb Europa verzehrt wurde - auch von Wiesn-Besuchern. Dorthin seien laut Zeugenaussagen aufgetaute Hendl, deklariert als Frischfleisch, geliefert worden.

Auf die Frage eines Abgeordneten, ob eventuell verdorbene Hendl zurückgeschickt worden seien, sagte Wifling unter allgemeinem Gelächter: "Nein, des ham die Preißn 'gessn." Seien die Tiere allerdings nicht verzehrt worden, sei es vorgekommen, dass sie wieder zurückgegeben und erneut eingefroren worden seien, so Wilfling. Besucher von anderen Großveranstaltungen - der Soko-Chef nennt als Beispiel Robbie-Williams-Konzerte oder Formel-1-Rennen - seien mit verdorbenem Dönerfleisch verköstigt worden.

Bruner machte offenbar auch Geschäfte mit einer Reihe von dubiosen Döner-Firmen in Nürnberg, von denen der Münchner Geschäftsmann selbst betrogen wurde. So habe er gefrorenes Fleisch nach Nürnberg geliefert, wo es aufgetaut und zu Spießen verarbeitet wurde. Erneut tiefgefroren wurde es dann wieder nach Johanneskirchen gebracht, allerdings in geringerer Menge als vereinbart. Die Lagerzeit der Spieße in der Musenbergstraße habe bis zu fünf Jahre betragen, am Ende seien einige "schwarz" gewesen, so dass man sie vor dem Weiterverkauf habe säubern müssen.

Nach dem Fund in der Musenbergstraße durchsuchte die Soko zahlreiche Restaurants im Großraum München. In insgesamt 37 Betrieben habe man ungenießbare Ware entdeckt. Nur Andeutungen machte Josef Wilfling darüber, was seine Mitarbeiter dabei in Münchner Restaurants so alles sahen: "Hygienische Zustände, die bemerkenswert waren."

© SZ vom 4.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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