Brian Wilson in München:Rentner auf dem Surfbrett

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Brian Wilson hat fast alles erlebt, was das Popleben hergibt: Der einstige Kreativkopf der Beach Boys lässt sein Publikum in München tanzen.

R. Dombrowski

Der Kampf mit der Legendenbildung ist mühsam. Brian Wilson hat fast alles erlebt, was das Popleben hergibt, wurde hochgelobt, fallen gelassen, hat mit den Ansprüchen an das eigene Genie gerungen und zwischenzeitlich sogar mit der öffentlich attestierten Unzurechnungsfähigkeit.

Brian Wilson in München: Er hat fast alles erlebt, was das Popleben hergibt, wurde hochgelobt, fallen gelassen, hat mit den Ansprüchen an das eigene Genie gerungen und zwischenzeitlich sogar mit der öffentlich attestierten Unzurechnungsfähigkeit. (Foto: Foto: dpa)

Nun, das ist inzwischen Geschichte, aber man sieht sie ihm an. Da sitzt ein ergrauter Mittsechziger mit Wohlstandskugel auf den Bühne der Fröttmaninger Zelt-Dependance des Deutschen Theaters, verschanzt hinter einem großen Keyboard, das er kaum verwendet, und erinnert sich an seine Greatest Hits.

Er ist ein Veteran des Popgeschäfts. Als kreativer Kopf der Beach Boys trug er in den sechziger Jahren maßgeblich zum Erfolg der kalifornischen Combo bei. Das Album "Pet Sounds" (1966) gilt als Meisterwerk.

Vor allem während der ersten Hälfte des Konzertes wirkt Brian Wilson zuweilen, als könne er es selbst nicht glauben, dass er immer noch unterwegs ist, um die scharfen Hüften der California Girls zu feiern. Umgeben ist er von einer neunköpfigen Band, die mit drei Gitarren und reichlich Schnickschnack von Glockenspiel bis Vibraphon überinstrumentiert erscheint, um nette Rock'n'Roll-basierte Dreiminüter über Freizeit am Strand zu vertonen. Aber Brian Wilson hat eben doch ein wenig von jenem besonderen Esprit abbekommen, der Musik selbst in ihrer Schlichtheit über sich hinaus wachsen lässt.

Spaß und Ironie

Und so wendet sich nach der Pause das Blatt und das ganze Team auf der Bühne findet zu einer gemeinsamen Spannung, die mehr als amerikanisches Entertainment ist.

Von "Wouldn't It Be Nice" bis hin zu "Good Vibrations" verdichtet sich die Musik, die Arrangements lichten sich und schaffen Raum für retardierende Momente. Mit einem Mal kommen die mehrstimmigen Gesangssätze klar zur Geltung und auch die große Besetzung erscheint angesichts der neuen Transparenz der Lieder, die auch klangliche Nuancen zum Vorschein kommen lässt, endlich sinnvoll.

Bis zur Zugabe hat Brian Wilson das Zelt soweit, dass die Menschen auf ihren Plätzen tanzen, und kann nun in den Zugaben voller Spaß und mit einer Prise Ironie der Naivität von Liedern wie "Surfin' USA" oder "Fun, Fun, Fun" frönen, ja sogar seinen Barhocker verlassen, um sich für ein paar Töne einen Bass umzuschnallen.

So hat er es geschafft, an einem Abend von routinierter Vergangenheitsbewältigung bis hin zu mitreißender, ein bisschen schelmischer Revitalisierung längst historischer Hymnen des popmusikalischen Jugendkultes zu führen. Eine reife Leistung.

© SZ vom 06.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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