Böhringer-Prozess neigt sich dem Ende zu:Schläge mit der Rechten

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Bevorzugt ein Linkshänder im emotionalen Ausnahmezustand automatisch die linke Hand? Oder kann der Angeklagte Bence T. zur Täuschung die Rechte benutzt haben? Niemand scheint dieses Problem erforscht zu haben.

Stephan Handel

Ein Mensch, der einen anderen Menschen tötet, in einer emotional höchst erregten Situation, voller Hass, Wut, Aggression, Verzweiflung vielleicht, Angst sogar - wird der noch daran denken, dass es ihm später nutzen könnte, wenn er eine wichtige körperliche Eigenschaft vertuscht? Kann Bence T., des Mordes an seiner Tante, der Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer, angeklagt, kann er, wenn er die Tat denn wirklich begangen hat, so cool gewesen sein, daran zu denken, dass er ja Linkshänder ist - und deshalb beim Zuschlagen zur Täuschung die Rechte zu nehmen?

Linkshänder Bence T. ist des Mordes an seiner Tante, der Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer, angeklagt. (Foto: Foto: dpa)

Für die Beantwortung solcher Fragen sind in Strafprozessen Gutachter zuständig, Psychologen, Psychiater, Mediziner. Das Problem nur: Niemand scheint dieses spezielle Problem der Händigkeit ausreichend erforscht zu haben - ob ein Linkshänder in einem emotionalen Ausnahmezustand automatisch, reflexhaft die linke Hand bevorzugt.

Eine Gerichtsmedizinerin war am gestrigen Freitag geladen - sie sollte referieren, wie denn die Medizin Linkshändigkeit definiert. Das tat sie auch brav anhand eines offensichtlich kopierten Lexikon-Artikels. Darüber hinausgehende Fragen von Anwalt Peter Witting war sie jedoch nicht in der Lage zu beantworten. Außerhalb des Prozesses hat sich eine Psychologin bei den Verteidigern gemeldet, die mit Linkshändern arbeitet - sie musste dann jedoch zugeben, dass sie hauptsächlich Kleinkinder dabei beobachtet, wie sie Perlen auf eine Schnur fädeln.

Weltweite Suche

Gibt es einen Sachverständigen, der die Linkshänder-Fragen im Böhringer-Prozess fundiert beantworten kann? Danach suchen die Verteidiger jetzt weltweit. die Zeit droht ihnen davonzulaufen: Nach einer kurzen Zeugeneinvernahme am Montag soll Staatsanwalt Martin Kronester am Freitag sein Plädoyer halten. Danach wollen Witting und sein Co-Verteidiger Stefan Mittelbach zwar auf einer Pause von mehreren Wochen bestehen, um ihre Schlussvorträge vorzubereiten.

Doch wenn sie bis dahin keinen Gutachter gefunden haben, dann liegt die Frage, ob Bence T., wenn er der Täter ist, auch mit rechts zugeschlagen haben könnte, in der freien Beweiswürdigung des Gerichts.

© SZ vom 05.07.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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