Bibelstunde in der Olympiahalle:"Ben Becker liebt Jesus. Du auch?"

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Weihrauch in der Münchner Olympiahalle: Schauspieler Ben Becker präsentiert die Greatest Hits der Bibel und überzeugt damit auch gläubige Christen.

Anna Fischhaber

Das erste, was auffällt, ist der Geruch: Weihrauch in der Olympiahalle - eine etwas ungewohnte Kombination. Und dann steht da noch diese blaue Kanzel mit goldenem Kreuz auf der Bühne.

Gemeinsam auf Tour: Schauspieler Ben Becker und die Bibel. (Foto: Foto: dpa)

Ausgerechnet das Enfant Terrible unter den deutschen Schauspielern hat am Donnerstagabend in München zur Bibelstunde geladen. "Die Bibel - Eine gesprochene Symphonie" lautet der monumentale Titel von Ben Beckers neuestem Streich.

Drogenrausch, Zusammenbruch, Intensivstation - nur knapp ist der 44-Jährige vor anderthalb Jahren dem Tod entgangen. Nun steht er, ganz in schwarz, das blonde Haar zurückgekämmt, auf der Bühne. Neben ihm ein Philharmonieorchester, im Hintergrund eine Art Triptychon: ein Altarbild aus drei Videoleinwänden, auf denen bedeutungschwangere Filmsequenzen von Feuer, Wasser und dem Weltraum eingeblendet werden. Kann das funktionieren?

Dann beginnt Becker zu lesen: "Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde", dröhnt seine tiefe Stimme bis in die letzen Ecken der Olympiahalle. Dem einen oder anderen jagt der raue Bass einen Schauer über den Rücken. "Jesus mag Gottes Sohn sein, aber Becker ist seine Stimme" - so weit wie die Zeitschrift Vanity Fair muss man vielleicht nicht gehen, aber gewaltig ist sie, seine Stimme.

Kain und Abel in the Ghetto

Das Filmorchester Babelsberg sorgt für eine dramatische Untermalung der Greatest Hits des Alten und Neuen Testaments, die nun folgen. Von Kain und Abel über Noah bis zu Jona und Judas arbeitet sich Becker durch. Ab und an stimmt er selbst ein Lied an, "In the Ghetto" von Elvis Presley beispielsweise. Und auch das Vaterunser kommt nicht zu kurz - auch wenn das die Vortragsweise hier eher nach raubeinigem Rockstar als nach Bibelstunde klingt.

Die Zuschauer scheint das nicht zu stören. Ausverkauft sieht zwar anders aus, einige Tausend sind es aber, die an diesem Donnerstagabend in die Olympiahalle gekommen sind. Die Kirche kann von solchen Besucherzahlen nur träumen. "Wenn Ben Becker das neue Testament liest, grollt Gott gewaltig. In den Kirchen tut er das schon lange nicht mehr. Bravo Ben Becker", gab das evangelische Organ Die Kirche nicht ganz ohne Neid zu.

Im zweiten Abschnitt: Was fromme Christen über einen wie Ben Becker denken, der gerne Totenkopfringe trägt und was die Menschen in die Olympiahall gezogen hat.

Es ist natürlich weniger der Glaube, der das Publikum in die Hallen treibt, sondern eher die Neugier auf dieses ungewöhnliche Spektakel. Eine kleine Befragung der Besucher ergibt aber, dass viele durchaus eine Beziehung zum Christentum pflegen. Ganz im Gegensatz zu Becker selbst, der in einer unreligiösen, eher sozialistisch geprägten Schauspieler-Familie in Bremen aufwuchs und bis heute keiner Kirche angehört.

"Das ist nicht bloß Show"

Als Provokation empfindet es dennoch kaum jemand im Publikum, dass ausgerechnet ein Mann aus der Bibel vorliest, der gerne Totenkopfringe trägt und über die Passionsgeschichte sagt, das ziehe einem die Schuhe aus. "Becker ist doch selbst ganz ergriffen. Das ist doch nicht bloß Show", sagt ein älterer Herr. Einige nicken. Der Auftritt macht dem Schauspieler sichtlich Spaß. Becker ist mit vollem Körpereinsatz dabei, immer wieder ballt er die Hand in der Luft zur Faust oder klammert sich mit aller Kraft an die Kanzel.

Es gibt sie durchaus, die religiösen Momente während der fast dreistündigen Lesung in der Olympiahalle - kaum jemand traut sich zwischendurch zu husten oder gar zu klatschen. Letztendlich ist es aber doch die Popkultur, die sich hier des Glaubens bemächtigt hat. Nicht etwa eine Botschaft von oben, sondern Dolly Partons Song "He's alive" brachte Becker auf die Idee. Gegen Ende zieht er dann noch einmal alle Register einer Las-Vegas-Show: Gospelsängerinnen treten vor einem kitschigen Sonnenuntergang auf, dann explodieren rechts und links der Bühne zwei überdimensionale Springbrunnen.

"Wir wollen uns ja auch alle nicht langweilen", lautet die lapidare Auskunft des Schauspielers dazu. Er sei angetreten, um vorzulesen - nicht etwa um zu predigen oder gar zu bekehren. Das scheinen allerdings nicht alle so zu sehen: An den Türen der Olympiahalle warten bereits einige frierende Christen, um ihre Bibelgutscheine unter die Münchner zu bringen. Den passenden Werbespruch haben sie auch parat: "Ben Becker liebt Jesus. Du auch?"

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