Band "Tonwertkorrektur":Das Indie-Mädchen und die Oper

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Münchens aktuelle Pop-Sensation: Lena (17) begeistert derzeit mit ihrer Band "Tonwertkorrektur" - aber sie hat noch mehr vor.

Annika Willer, SZ-Jugendseite

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Annika Willer ist 22 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

Lena (17) von der Band "Tonwertkorrektur" (Foto: Foto: Kammerer/oh)

Man kann sie schon von weitem hören. Der Gesang zieht durch das menschenleere Gewerbegebiet, um den grauen Häuserblock und über die angrenzenden Bahnschienen. Ein Schlagzeug donnert los, Klavierakkorde erklingen. Ein blasser Abendhimmel überspannt die Szenerie - dramatisch und bedeutungsschwer wirkt das, surreal und sehr schön, wie eine Szene aus einem Film.

Zurück in der Realität, im Probenraum, sitzt sie da, das Mädchen zur Stimme: Lena Britzelmair, 17 Jahre alt, aus Fürstenfeldbruck - zierlich und barfuß hinter ihrem Keyboard. Sie singt und spielt in der Fürstenfeldbrucker Indie-Band Tonwertkorrektur, gemeinsam mit Nikolas Kammerer am Schlagzeug und Bassist Julian Kincses. Das Trio probt konzentriert an diesem Abend - schließlich steht ein wichtiger Auftritt bevor: Die drei sind im Finale des Sprungbrettwettbewerbs am kommenden Samstag. Es geht um den Titel der "besten Münchener Band". Tonwertkorrektur machen eckigen Pop mit Hang zum Drama und punkigen Ausflügen. Lenas Stimme dominiert den Sound der Band. Sie klingt eindringlich, fast zu groß für die zarte Gestalt der Sängerin. Während die junge Frau spielt, krallt sich ihr kleiner Fuß mit hellrot lackierten Zehennägeln an den Keyboardständer, ihre schmalen Hände spreizen sich über die Tasten.

"Es ist einfach toll, dass wir so weit gekommen sind", sagt Lena und zuckt mit den Schultern. Auf das Gewinnen dürfe man sich da nicht versteifen, da werde man nur depressiv und verkrampft, sagt sie. Nein, gehemmt wirkt Lena wirklich nicht. Sie lacht viel. Und beim Keyboardspielen wiegt sie den Oberkörper vor und zurück, ein wenig versunken, ganz der Musikergestus. Selbstbewusst wirkt sie. Lena weiß, was sie kann. Mit 13 sang sie das erste Mal auf einer Bühne, das Klavierspielen hat sie im Grundschulalter begonnen.

Liebe zum Klavier

Tonwertkorrektur gibt es seit drei Jahren - anfangs ging es noch um gelegentliches Jammen, doch "inzwischen ist es wirklich eine Herzenssache von uns", erklärt die Sängerin. Zuerst habe sie sich noch in einer anderen Band an der Gitarre versucht - "aber dann habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass Klavier meine einzige Instrumenten-Liebe ist", sagt Lena. Sie schafft mit Klavierakkorden ein Grundgerüst für die Songs von Tonwertkorrektur und schreibt die Songtexte. Zu dritt entwickeln sie die Songs dann weiter.

Bei einem anderen Wettbewerb im vergangenen Jahr hat die Band drei Tage im Tonstudio gewonnen. Und mit dem Preisgeld aus der Sprungbrett-Vorrunde wollen sie noch einmal Aufnahmen machen. Ende des Jahres, hoffen sie, wird eine CD fertig. "Ich freue mich wirklich, dass ich die zwei gefunden habe", sagt Lena.

Wie sie dort hockt, auf dem Bordstein vor dem Probenraum, die Röhrenjeansbeine an die Brust gezogen, schaut sie aus wie ein typisches Kind der Indie-Szene - nichts deutet auf ihre andere Musikliebe hin: die Oper. "Ich finde Klassik wunderschön, jedes Stück ist einfach etwas ganz Besonderes", sagt Lena. Sie nimmt klassischen Gesangsunterricht und würde am liebsten Opernsängerin werden. Das ist ihr so wichtig, dass sie für die Oberstufe vom kommenden September an die Schule wechseln wird, auf ein Gymnasium mit Musik-Leistungskurs. Ein längerer Schulweg, weit weg von den alten Schulfreunden - für die Musik nimmt Lena das gerne in Kauf. "In einem Leistungskurs lernt man so viel Theoretisches, das ist mir total wichtig", sagt die Sängerin.

Während sie mit ihren Popsongs ständig auf der Bühne steht, hat Lena erst einmal ein klassisches Stück vor Publikum gesungen: beim Aufnahmetest für den Musik-LK. "Solche Stücke zu singen, ist viel schwieriger und anstrengender" als die Songs der Band, erklärt sie, "man beschränkt sich nicht nur auf eine Tonlage." Es sei die gesangliche Herausforderung, die sie am Operngesang reize, sagt das Indie-Mädchen. Und schließlich sei die Musik auch wunderschön anzuhören: "Ich will gar nicht sagen, dass Klassik eher eine Sache der Älteren ist - es gibt so viele unglaublich begabte junge Leute, die sich dafür interessieren", sagt Lena, und klingt, als hätte sie längst genug von den Klischees. "Es ist absolut bewundernswert, wie Opernsänger eine solche Präsenz schaffen, und das ohne Mikro", findet sie und sieht in diesem Moment fast ein wenig ehrfürchtig aus.

Lena würde gerne Operngesang studieren - aber allzu sicher möchte sie nicht klingen. "Muss man sehen, ob man die Aufnahmeprüfung schafft", sagt sie und streicht ihre braunen Haare über die Schulter. Solche Sätze sagt sie öfters, als wolle sie nur nicht abgehoben wirken: "Einfach schauen, wo es hinführt."

Pop und Klassik

Klar wäre es schade, beim Sprungbrett-Wettbewerb am Samstag nicht zu gewinnen, sagt sie. Aber man könne es ja nicht wissen. Natürlich hätte sie gerne, dass ihre Band mehr sei als ein Hobby, aber sie wisse halt einfach nicht, wo es hinführt. Aufgeben möchte sie jedenfalls weder Pop noch Klassik für das jeweils andere. "Am liebsten würde ich beides machen", sagt sie und lächelt.

Damit das funktioniert, hat sie mit dem Klavierunterricht aufgehört - viel Zeit bleibt ihr auch so nicht neben Schule, Bandproben und Gesangsstunden. "Wir stecken alle viel Energie in die Band", erklärt Lena. Wie viel, das kann man hören, wenn ein Lied wieder und wieder geprobt wird, jedes Detail durchgesprochen und ausprobiert wird...und Lenas Stimme noch am nächsten Häuserblock zu hören ist, kräftig und eindringlich, melodiös und ein wenig dramatisch, wie in einem Film.

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

© SZ vom 23.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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