Armin Petras:"Es ist ein Anschlag aufs Theater"

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Zwei in einem: Der Regisseur über den Autor Fritz Kater anlässlich seiner Aufführung von "Buch - 5 ingredientes de la vida" in der Spielhalle der Kammerspiele

Interview von Christiane Lutz

Am Freitag hatte Armins Petras' Inszenierung von "Buch - 5 ingredientes de la vida" in der Spielhalle der Münchner Kammerspiele Premiere. Darin bringt der Regisseur ein Stück von Fritz Kater auf die Bühne. Dieser ist Petras selbst, das heißt, der Regisseur und Intendant des Schauspiels Stuttgart nennt sich Kater, wenn er schreibt. Ein Gespräch über das Verhältnis zwischen Autor und Regisseur.

SZ: Wie kommt man auf die Idee, schreibender Regisseur zu werden, beziehungsweise inszenierender Autor?

Armin Petras: Das ist einfach zu beantworten. Ich bin nach meinem abgebrochenen Regiestudium und einer Regieassistenz an den Kammerspielen nach Frankfurt/Oder gegangen. Dort hatte ich meine erste Stelle als Regisseur. Bei einer Publikumsdiskussion haben mich Zuschauer angeschrien: "Inszenieren Sie doch Ihre eigenen Stücke und verhunzen Sie nicht unsere Klassiker!" Das war der ausschlaggebende Impuls für mich. Ich hab' dann mein erstes Stück geschrieben. Das wurde allerdings erst zehn Jahre später uraufgeführt.

Man muss als Autor etwas beitragen wollen, eine Stimme, eine Weltsicht. Denken Sie darüber nach, ob die Welt Ihre Stimme braucht?

Überhaupt nicht. Das hat für mich aber etwas mit der Genealogie des Schreibens zu tun. Ich habe, wie gesagt, zehn Jahre komplett unerfolgreich geschrieben. Jonathan Littell hat gesagt "Schreiben ist für mich wie Drainage legen", besser kann ich es nicht ausdrücken. Eiter ablassen. Im Mittelalter hat man zur Ader gelassen. Das ist für mich Schreiben. Nicht eine Arbeit im klassischen Sinne. Es gibt einen Monat im Sommer, sechs, acht Wochen, in denen ich in Klausur gehe. Ich weiß auch vorher nicht, was da passiert. Es ist eine Not, ich muss das machen. Deshalb ist mir völlig egal, ob das Relevanz hat, ob das kommerziell verwertbar ist. Natürlich geht es drum, natürlich hoffe ich, dass es später irgendjemand inszeniert oder dass ich es selbst inszenieren kann. Aber das spielt beim Schreiben keine Rolle.

Edmund Telgenkämper, Svenja Liesau, Max Simonischek und Anja Schneider (von links) in "Buch - 5 ingredientes de la vida" an den Kammerspielen. (Foto: Conny Mirbach)

Also denken Sie auch nicht darüber nach, wie man das später inszenieren könnte?

Als Armin Petras denke ich sehr darüber nach. Fritz Kater denkt niemals darüber nach. Ich finde, seine Stücke sind alle komplett nicht-inszenierbar. Null. Und jedes Mal, wenn ich die Texte dann irgendwo abgebe, kommt ein Dramaturg und will dann, dass ich das selbst inszeniere, weil es andere nicht wollen.

Ihre Regieanweisungen sind ja auch nicht gerade einfach. Zum Beispiel: "Währenddessen wird sie 13 jahre älter/sie verwandelt sich von der jungen schönen frau in eine gestresste enddreissigerin in einem krankenhausoutfit". Eine Zumutung.

Es ist ein Anschlag aufs Theater. Jedes Mal. Nicht bewusst. Es ist so, dass beim Schreiben etwas wie Lava rauskommt und ich überlege, wie man das formen, strukturieren kann.

Warum schreiben eigentlich so viele Theaterautoren, auch Fritz Kater, Texte nur in Kleinbuchstaben? Das erschwert das Lesen ungemein!

Ich glaube, so ist der Text offener für Interpretation. Deshalb fehlen auch die Satzzeichen. So muss sich jeder den Satz selbst zusammensuchen.

Was gibt Ihnen das Schreiben, was die Arbeit als Regisseur Ihnen nicht gibt?

Es gibt keinerlei Auflage. Keinerlei Druck. Keinerlei Bedingungen. Nur, dass es so tief wie möglich gehen muss. Ich liebe es, als Regisseur mit Schauspielern zu arbeiten, aber es ist auch wahnsinnig anstrengend, wenn 15 Leute immer an dir zerren. Immer was von dir wollen. Der Autor darf sich nur um das Innen kümmern.

Sie haben gerade das neue Stück von Fritz Kater, "Buch (5 ingredientes de la vida)" in Koproduktion mit dem Stuttgarter Staatstheater inszeniert. Ein wuchtiger Text über viele, viele Seiten. Was sind die "Zutaten des Lebens"?

Der Regisseur Armin Petras ist auch der Autor Fritz Kater. (Foto: dpa)

Utopie, Phantasie, Liebe und Tod, Instinkt und Sorge. Wenn ich richtig verstehe, sind das aber nur fünf Zutaten aus einer Milliarde Zutaten des Lebens. Und den Autor haben diese fünf besonders interessiert.

Woher kommt der Titel "Buch"?

Naja, im dritten Teil des Stücks schreibt der Vater Ernst ein Buch, nimmt etwas auf einem Tonband auf, kurz vor seinem Tod. Es ist für mich kein Zufall, dass der Akt des Buchschreibens in der Mitte dieses Buches stattfindet. Es geht auch um den Stadtteil "Berlin Buch" und um die Buche, den Baum,als ersten Ort der Schrift. Früher haben die Menschen mit Bucheckern Wörter in Buchenrinde geritzt, deshalb heißt ja der Buchstabe auch Buchstabe.

Sind Sie denn der einzige Regisseur, der Fritz Kater richtig verstehen und inszenieren kann?

Nein. Ich habe tolle Inszenierungen von anderen Regisseuren gesehen. Eine der besten war von Antú Romero Nunes, als er "Zeit zu leben, Zeit zu sterben" inszenierte. Ich freue mich extrem, wenn andere Kater-Stücke inszenieren. Egal wo.

Wer ist eigentlich Fritz Kater?

Keine Ahnung.

Kommt der zu Ihren Inszenierungen?

Ich glaube, dass den Theater gar nicht interessiert. Es geht ihm ums Schreiben und um die Beziehung zu anderen Gedankenkonstrukten. Er schreibt in Spuren anderer Literatur, in "Buch" zum Beispiel könnte ich Spuren von Beckett finden, von Jorge Luis Borges.

Wie gern mögen Sie ihn als Autor?

Es ist eine Hassliebe.

Wofür kritisieren Sie ihn?

Vielleicht ein bisschen dafür, dass seine Themen zu ähnlich sind. Ich würde gern mal was über Afghanistan hören. Oder über New York. Nicht immer über Deutschland. Aber der Erfahrungshorizont von einem Autor ist vielleicht auch endlich, ich sehe das schon ein.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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