Anti-Krieg-Protest:Die "Weiße Rose" - bloße Schmiererei?

Lesezeit: 2 min

"Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit", haben vor mehr als 61 Jahren die Mitglieder der Weißen Rose in einem Flugblatt gefordert. Den gleichen Satz wählten Günter W., 61, und Wolfgang F., 52, um im Februar vergangenen Jahres gegen den Irak-Krieg zu protestieren.

Von Alexander Krug

Dass sie nun auf der Anklagebank des Amtsgerichts sitzen, hat weniger mit dem Inhalt als mit der Form ihres Protestes zu tun. Die beiden sprühten den Satz mitsamt dem Abbild einer Rose an den Haupteingang der Universität, genau dort, wo 1943 Hans Scholl, Willy Graf und Alexander Schmorell "Nieder mit Hitler" geschrieben hatten.

Es ist ein politischer Prozess und die Fronten sind klar abgesteckt. Die Staatsanwaltschaft bewertet die Aktion als "puren Vandalismus" und nennt es "Schmierereien". Dagegen verwahren sich die Angeklagten vehement. Der Sozialarbeiter Günter W. und der Arzt Wolfgang F. sehen sich in der Tradition der Weißen Rose - und haben gleichsam symbolisch fünf Prachtexemplare der Blume mitgebracht, die sie auf dem Richtertisch platzieren dürfen.

"Das sind keine Schmierereien", sagt Wolfgang F., die Sachbeschädigung sei wegen der "Botschaft" nur billigend in Kauf genommen worden. "Wir wollten ein persönliches Zeichen setzen." Ziel sei es gewesen, die Menschen aufzurütteln gegen den damals bevorstehenden "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak". Man sei, pflichtet ihm Günter W. bei, sehr sorgfältig vorgegangen. Die Schrift sei auf einer vorgefertigten Schablone exakt auf zwei große Quader am Haupteingang gesprüht worden, an den weiteren sieben Stellen habe man vorzugsweise Fenster gewählt ,die "leicht wieder zu säubern sind". Der Universität haben sie angeboten, die Kosten der Reinigung in Höhe von 300 Euro zu übernehmen.

Der Staatsanwalt beharrt darauf, dass es sich um "Schmierereien" handelt, die genauso zu bewerten seien wie andere Graffiti oder Parolen wie etwa "Türken raus". Die Zuhören buhen, einige rufen "Unverschämtheit". Anwalt Bernhard Fricke hält ihm entgegen, dass es "absolut unwürdig" sei, die Angeklagten auf eine Stufe mit Graffiti-Sprayern zu stellen. Beide seien seit Jahren aktiv im Münchner Friedensbündnis und hätten schon an vielen Mahnwachen, Demonstrationen und anderen Aktionen teilgenommen.

Amtsrichter Werner Melder befindet nach fast vier Stunden, man müsse doch die "Kirche im Dorf lassen". Gleichzeitig macht er deutlich, dass es sich rechtlich um eine Sachbeschädigung handelt, gleichgültig ob der Verursacher " ein Pazifist oder ein Rechtsradikaler" sei. Wolfgang F. wird zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Euro unter Strafvorbehalt verurteilt. Das heißt, dass er die Strafe nur zahlen muss, wenn er innerhalb einer festgelegten Frist wieder straffällig wird. Günter W. muss dagegen seine Strafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro bezahlen, denn er ist schon zweimal "einschlägig" mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

© SZ vom 26. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: