Alpha-Klinik:Schmerzensgeld für Patienten

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Falsche Diagnosen, folgenreiche Operationen, unnötige Eingriffe: Acht Patienten der Alpha-Klinik haben jahrelang gegen den handwerklichen Pfusch des einstigen Chefarztes geklagt. Nun erhalten die Geschädigten Schmerzensgeld. Für den Arzt hat der Prozess noch ganz andere Folgen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Er wurde im Buch der Fernsehmoderatorin Nina Ruge als Top-Profi in der Orthopädie mit "gigantischem Wissen" gepriesen. Er durfte sich im Fernsehen bei Johannes B. Kerner als Enthüller einer "unbekannten Volkskrankheit" präsentieren. Im Internet lautete sein Werbeslogan: "Wo andere aufhören, fangen wir erst an." Prominente Namen schmückten seine Patientenliste. Doch davon ist außer vielfältigem Leid nichts geblieben: Anwälte und Versicherungen stritten auch Jahre nach dem unrühmlichen Ende der skandalgebeutelten Alpha-Klinik bis jetzt um die teuren Fehldiagnosen und den handwerklichen Pfusch, den der einstige Chefarzt, Horst Dekkers, hinterlassen hat.

Jahre nach dem Ende der skandalgebeutelten Alpha-Klinik am Effnerplatz ist acht Geschädigten Schmerzensgeld zugesprochen worden. (Bild: Archiv) (Foto: Stephan Rumpf)

Für die Münchner Rechtsanwälte Wolfgang Putz und Alexander Sessel geht nun einer der umfangreichsten Fallkomplexe ihrer 30-jährigen Kanzleigeschichte zu Ende: Acht Patienten des niederländischen Doctorandus bekommen Schmerzensgeld und Entschädigung. Und auf ihr Betreiben hin darf der Arzt in Deutschland nicht mehr eigenständig operieren.

Dekkers' Lieblingsbefund hieß "Stenose": Knochenwucherungen klemmen schmerzhaft den Rückenmarksnerv ein. Diese Alterskrankheit stilisierte der Münchner Chefarzt zur "unbekannten Volkskrankheit" hoch, die er auffällig häufig selbst bei jungen Patienten diagnostizierte. "Tatsächlich waren bei unseren Klienten diese Spinalstenosen kaum oder gar nicht vorhanden", sagt Anwalt Putz. Es habe keine Indikation zur OP bestanden - "so wurden die Patienten durch die nicht notwendigen Eingriffe geschädigt". Oftmals mussten sie später erneut operiert werden, weil ihre Beschwerden ganz andere Ursachen hatten. Für die Eingriffe hatte Dekkers in der Regel saftige Honorare verlangt, die von den Kassen kaum getragen wurden.

In allen Fällen war es aber äußerst schwierig nachzuweisen, dass bei den schwer vorgeschädigten Patienten die teilweise grob fehlerhafte Behandlung des Arztes für die lebenslangen schwersten Gesundheitsschäden ausschlaggebend war", sagt der Jurist. Es handle sich um Menschen aus England, der Schweiz, den Niederlanden, Italien und Deutschland, die in Dekkers ihre letzte Hoffnung auf ein schmerzfreies Leben gesehen hatten. Andere Patienten hatten ihren Kampf gegen den Mediziner vorzeitig aufgegeben, weil sie kaum Erfolgsaussichten sahen und sich langwierige Prozesse nicht leisten konnten.

Die Kanzlei stieß parallel dazu ein Verfahren bei der Regierung von Oberbayern an, die Dekkers' ärztliche Zulassung daraufhin ruhen ließ. Mitte 2008 gestatteten Verwaltungsrichter dem Arzt wieder Operationen, allerdings nur unter Fachaufsicht. Etwa seither ist der Arzt offiziell aus Bayern verschwunden. Es gibt Berichte, er sei nun auf Mallorca, in Aserbaidschan, Armenien oder im Kaukasus tätig. Fünf Gerichtsverfahren, in denen ausführlich mit Gutachten und Gegengutachten gestritten wurde - erst mit Dekkers' Anwälten, dann der Insolvenzverwalterin der Alphaklinik -, wurden nun beigelegt. Drei weitere Fälle sind gütlich geregelt: Bis zu 27.000 Euro hat die Versicherung jeweils bezahlt. Zwei Fälle stehen vor dem Abschluss.

Ähnliche Vergleiche haben wir auch in Verfahren gegen einen Chefarzt-Kollegen von Dekkers erzielen können", sagt Putz. "Damit dürfte sich die lange Geschichte der Alpha-Klinik in München dem Ende nähern."

© SZ vom 02.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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