Weihnachtseinkäufe in Münchens Fußgängerzone:Einkaufs-Apokalypse im Schnee-Chaos

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Einkaufswahnsinn am zweiten Adventssamstag in der Münchner Fußgängerzone: Man wird mehr geschoben, als dass man geht. (Foto: Stephan Rumpf)

Drängelnde Menschenmassen, stundenlanges Schlangestehen und Touristen aus der Alpenregion: Bei einem Rundgang durch die Fußgängerzone in München braucht man an einem Adventssamstag viel Geduld und Durchhaltevermögen. Und bisweilen erfährt man etwas über die Abgründe der menschlichen Natur.

Von Franz Kotteder

Zwei Milliarden Euro, sagt Bernd Ohlmann vom Bayerischen Einzelhandelsverband, wird heuer allein in München im Weihnachtsgeschäft ausgegeben, eine leichte Steigerung zum Vorjahr wäre das. Allein 190 Millionen Euro werde im Online-Handel mit Münchnern erzielt. Hört man diese Zahlen, so fragt man sich unwillkürlich, woher der Einzelhandels-Geschäftsführer all das jetzt schon wissen kann?

Natürlich handelt es sich dabei um eine Hochrechnung nach dem ersten Adventswochenende. Dass die Konsumenten in diesem Jahr nicht gerade unwillig zum Geschenkeinkauf losziehen, ließ sich aber auch an diesem Adventssamstag problemlos in der Fußgängerzone erkennen. In Zeiten wie diesen, in denen ein paar Flocken schon ein sogenanntes "Schnee-Chaos" auslösen, hat man es dann wohl mindestens mit einer "Einkaufs-Apokalypse" zu tun. Es geht hier nämlich ganz schön zu.

Ortstermin um zwölf Uhr Mittag, Kaufhof am Marienplatz. Es ist voll. Sehr voll. Betritt man, von der S-Bahn kommend, im Untergeschoss die Rolltreppe, so könnte es passieren, dass man im Menschenstrom bis hinauf in den fünften Stock geschoben wird und wieder zurück. Wenn man es nicht rechtzeitig schafft, irgendwo aus der Rolltreppenschlange auszuscheren, sich in einen anderen Menschenstrom einzureihen und sich durch die Gänge schieben zu lassen. Dennoch: Das Kaufhaus scheint vor allem für Familienväter mit einem Sinn für generalstabsmäßige Planung ein Ziel zu sein. "Wenn man genau weiß, was man will", sagt einer, "kann man hier vergleichsweise schnell alles abarbeiten." Er zeigt auf seine Liste, auf der schon zwei Geschenke durchgestrichen sind. "Schnell" ist freilich ein relativer Begriff im Einkaufsparadies Fußgängerzone.

Draußen im Freien geht es kaum weniger beengt zu. Trotzdem sind erstaunlich viele Menschen mit Kinderwägen, Rollstühlen und Rollkoffern unterwegs. Dicht gedrängt bewegen sich die Menschen, man beginnt sich Sorgen zu machen: Ob in den Mittelzentren wie Fürstenfeldbruck oder Bad Tölz jetzt gähnende Leere in den Einkaufszentren herrscht, weil alle Leute nach München gefahren sind? Jedenfalls könnte man diesen Eindruck erlangen. Selbst beim Juwelier stehen Schlangen, die Verkäufer sagen: "Von einer Eurokrise merken wir nichts." Bei H & M zwitschert alle halbe Minute fröhlich die Alarmanlage, und junge Mädchen suchen hektisch nach dem Sicherheitsetikett am gerade Erworbenen, während im Geschäft potenzielle Kunden einer rätselhaften Choreografie, dem Bienentanz nicht unähnlich, um die Kleiderständer herum folgen. Vor den Anprobekabinen muss man lange anstehen.

Wenig später eine Sirene: Ein Rettungswagen bahnt sich den Weg durch die Menge und hält vor Zara in der Neuhauser Straße. Hinten im Laden ist jemand umgekippt, der Kreislauf. Während sich drei Sanitäter um ihn kümmern, durchforsten fünf, sechs Leute völlig ungerührt die Ramschkiste direkt daneben: "Na und? Ich könnte eh nichts tun", sagt eine Frau, "und Hilfe ist doch da!" Manchmal wünscht man sich, nicht nachgefragt zu haben.

Dafür geht es am Jagdmuseum, abseits des Geschehens, ruhiger zu. Hier steht der "Packerlbus" des MVV, man kann da seine Einkäufe kostenlos zwischenlagern, wenn man ein Ticket vorweist. "Heute ist extrem viel los", sagt Christian Kagermaier, der diesen Job schon seit 13 Jahren macht. Mehr als in den Jahren zuvor? "Ja! Und es sind viele Österreicher und Italiener da. Die Münchner wissen ja, wie's am Samstag zugeht. Die kommen unter der Woche."

Überfüllte Kaufhäuser: Einkaufswahnsinn am zweiten Adventssamstag in der Münchner Fußgängerzone. (Foto: Stephan Rumpf)

Danach achtet man ein bisschen mehr auf Sprachen und Dialekte. Und tatsächlich: Die Touristendichte scheint wesentlich höher zu sein als sonst, auch in den Randbereichen der Fußgängerzone. Bei Dallmayr geht es ähnlich zu wie im Kaufhof, auch wenn das Feinkosthaus 16 Tage vor dem Fest nur bedingt für Weihnachtsgeschenke taugt, Austern kann man schließlich nicht einfrieren. Gleich daneben, bei Manufactum, kommt man kaum hinein, weil so viele herausströmen.

Die weihnachtliche Nachfrage nach Zinkspaten, Naturdünger und Gründerzeit-Badarmaturen ist ungebrochen. Das können nicht nur Auswärtige sein. Einer aber ist es ganz bestimmt. "I musch mal gugge, wasch der Schinkeschneider koschtet!", brüllt er nicht nur seiner Ehegattin, sondern auch allen anderen Umstehenden ins Ohr. Es stellt sich dann heraus: zu viel für einen Schwaben. Aber das hätte man ihm auch vorher sagen können.

© SZ vom 10.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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