Hochwasser:Drei Zentimeter fehlen zur Katastrophe

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Der Pegelstand hat in der Nacht zum Mittwoch die Marken des Pfingsthochwassers von 1999 überschritten. Dank der Renaturierungsmaßnahmen blieb die Isar zwar in ihrem Bett, das Grundwasser drückte jedoch in etliche Keller und auch ins Deutsche Museum.

Birgit Lutz-Temsch und Jens Kiffmeier

Drei Zentimeter unter den Fensterbrettern des Deutschen Museums kommt der Pegel der Isar zum Stehen, genau um 6.00 Uhr gestern Morgen, bei 5,36 Meter, das sind immerhin 66 Zentimeter mehr als 1999 bei der Pfingstflut. 987 Kubikmeter Wasser donnern pro Sekunde an der Messstelle unterhalb der Prinzregentenstraße zu diesem Zeitpunkt die Isar hinunter.

Ein Feuerwehrmann versucht das Wasser aus der Oldtimer-Abteilung des Deutschen Museums zu entfernen. (Foto: Foto: ddp)

An der Wittelsbacherstraße schwappen braune Wellen fast bis auf den Radweg - auch hier fehlen nur Zentimeter zum Überlaufen auf die Straße und in die angrenzenden Häuser. Aber die Isar bleibt in ihrem über die gesamten Auen ausgedehnten Hochwasserbett. Die nachts um drei von Einsatzkräften der Feuerwehr an den Kellerfenstern des Deutschen Museums aufgeschichteten Sandsäcke bleiben trocken.

Etwa eine Stunde bleibt der Pegel auf seinem Höchststand, dann sinkt er wieder. Seitdem gilt die Sorge nicht mehr dem drohenden Überlaufen der Isar, sondern den Kellerwänden, die sowohl im Deutschen Museum als auch in der Au und Untergiesing dem Druck des Grundwassers nicht mehr standhalten.

Im Untergeschoss des Deutschen Museums, in dem Oldtimer von unwiederbringlichem Wert ausgestellt sind, ergießt sich aus dem Mauerwerk ein Brunnen in die Halle, auch zwischen den Bodenplatten drückt das Wasser nach oben. Der Strom ist abgestellt, deswegen können die Autos nicht mit der Hebebühne abtransportiert werden. Also versuchen die Feuerwehrkräfte, die Wassermassen abzupumpen.

Ein Stück weiter, im Museumsbergwerk, steht eine Außentür bis zu einer Höhe von 30 Zentimetern im Wasser, von außen haben die Feuerwehrleute die Tür rechtzeitig mit Plastikfolie und Sandsäcken geschützt, innen zur Vorsorge die Tür mit Dichtmaterial ausgespritzt. "Wenn wir das nicht gemacht hätten, würde das komplette Bergwerk voll laufen, bis aus Tölz kein Wasser mehr nachkommt", sagt Museums-Einsatzleiter Walter Laumer.

Ausgewaschener Boden

Am Mittwoch Nachmittag steht der Pegel bei 4,82 Meter. Weiter wird er vorerst nicht sinken. "Es sind bereits die nächsten Regenfälle in den Alpen vorhergesagt, deshalb wird aus dem Sylvensteinspeicher jetzt weiterhin so viel Wasser wie möglich abgelassen", sagt Matthias Junge, Sprecher des Münchner Wasserwirtschaftsamts.

"Der Einsatz im Museum wird deshalb noch Tage dauern", so Laumer, "denn der Wasserdruck bleibt zu hoch." Der Wassereinbruch könne sogar noch zunehmen, jetzt, wo das Wasser seinen Weg einmal gefunden habe und der Boden langsam ausgewaschen sei.

Daran wollen die Anwohner in der Au gar nicht denken: Überall in den Straßen liegen den ganzen Tag dicke Feuerwehrschläuche, mit denen die Wassermassen aus den Kellerräumen in die Kanalisation gepumpt werden. Allein in der Albanistraße steht fast jeder zweite Keller unter Wasser.

Aus den Gullideckeln qualmt Wasserdampf. In vielen Häusern ist die Strom- und Warmwasserversorgung ausgefallen. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt Barbara Dorenberg. In der Tiefgarage ihres Mietshauses schwimmen sechs Autos in den Fluten. Schlitten und Regale treiben über die Wasseroberfläche. "Wir haben eigentlich eine hauseigene Pumpe. Als wir gestern Abend nachgesehen haben, war noch alles okay", berichtet die Anwohnerin, die dann in der Nacht vom Wasser überrascht wurde.

Sisyphusarbeit für die Feuerwehr

Die Feuerwehr kann sich zunächst jedoch nur um Schadensbegrenzung bemühen. 60 Mann sind hier seit den frühen Morgenstunden im Einsatz, sagt der Einsatzleiter für die Au, Karl Weißenberger. Auf dem Mariahilfplatz wird das Einsatzzentrum aufgebaut. Die Feuerwehrmänner sollen zuerst dort eingreifen, wo Stromleitungen vom Wasser bedroht werden. Die Eduard-Schmid-Straße wird deswegen zeitweilig vom Stromnetz genommen.

"Natürlich will jeder, dass wir zuerst zu ihm kommen", berichtete Brandamtsrat Reinhardt Hubert, "aber das geht leider nicht." 226 Einsätze hat die Feuerwehr von Mitternacht bis zum späten Nachmittag hinter sich, zahlreiche weitere stehen noch aus. Ein Feuerwehrmann spricht von Sisyphusarbeit, denn es wird sofort neues Wasser nachgedrückt.

Ein Problem auch für die Mitarbeiter der Münchner Stadtwerke: Durch die Hausanschlussleitungen fließt das Wasser in die Schächte des Fernwärmenetzes. Dort trifft das kalte Isarwasser auf die circa 140 Grad warmen Rohre, an vielen Stellen qualmt der Wasserdampf aus den Gullideckeln.

Trinkwasserversorgung und Nahverkehr gesichert

Es seien aber keine Beeinträchtigungen zu fürchten, so die Stadtwerke. Es gebe weder Probleme bei der Trinkwasserversorgung noch seien größere Behinderungen im Nahverkehr zu erwarten. Die Thalkirchner Brücke bleibt nach Angaben der Polizei noch bis mindestens Donnerstagmittag gesperrt, wann die Stege über die Isar wieder freigegeben werden, ist wegen des anhaltend hohen Pegels der Isar derzeit noch nicht absehbar.

Gut sind diese Nachrichten für die zahlreichen Schaulustigen, die sich mit Kameras entlang der Isar versammelt haben - die reißende Vorstellung, die die Isar derzeit gibt, wird wegen des Wassers aus dem Sylvensteinspeicher wohl noch bis zum Wochenende anhalten.

© SZ vom 25.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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