Zweiteiler "Verlorene Sicherheit":Alles wankt

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Die Krimireihe "Unter Verdacht" mit Senta Berger steht für Qualität, das weiß man. Die neue Folge übertrifft die bisherige Arbeit noch.

Von HANS HOFF

Nichts ist mehr sicher, alles steht zur Disposition. Keinem kann man mehr trauen, nicht einmal mehr dem eigenen Körper. Eva Maria Prohacek hatte noch nie einen leichten Job als interne Ermittlerin bei der Münchner Polizei. Aber nun wird noch einmal alles schwerer. Ein Jahr nach einem Bombenanschlag auf das Oktoberfest muss sie dem Verdacht nachgehen, dass der damalige Selbstmordattentäter doch einen Helfer hatte. Ins Visier gerät ausgerechnet ein Polizist, für den sie einst die Vormundschaft übernommen hat, der ihr aber aus dem Blick geraten war. Sie kann nicht glauben, was Volkes Meinung und eine wahlkämpfende Politik plötzlich als einfache Lösung präsentieren. Aber sie ist natürlich befangen. Sie wankt im wahrsten Wortsinne. Sie erleidet einen Schlaganfall. Es soll nicht der letzte bleiben.

Es ist kein einfacher Stoff, den das ZDF da an einem Samstagabend in drei Stunden ausrollt, auch wenn etliche Akteure in ihm nach einfachen Mustern gieren. Viele sind verstrickt in diesen Fall, Prohaceks Chef, der Verfassungsschutz und die Bayerische Staatskanzlei, die gerne einen Erfolg vor der anstehenden Wahl sähe.

Man darf es als Verdienst der Autoren Stefan Holtz und Florian Iwersen werten, dass dieser von Andreas Herzog eindringlich inszenierte Film trotzdem so klar und weitgehend klischeefrei daherkommt, dass er den Zuschauer rasch in seinen Bann schlägt. Das mag an der großen Ernsthaftigkeit liegen, mit der hier zur Tat geschritten wird. Hier gibt es keine Showmätzchen, keine überflüssigen Gags, keine alles zusoßende Musik. Hier gibt es nur den Fall und eine sehr starke, sehr glaubhafte Motivation, diesen lösen zu wollen.

Und es gibt Senta Berger. Man mag kaum noch erwähnen, wie großartig diese Frau in ihrer Rolle agiert, wie sie das Gebrochene ihrer Figur so unglaublich uneitel personifiziert. Man ist das schon gewohnt, weil Unter Verdacht nach all den Folgen und all den eingeheimsten Preisen ja ohnehin ein Qualitätsprädikat für sich ist.

Trotzdem muss erwähnt werden, dass diese Doppelfolge die bisherige Arbeit noch einmal übertrifft. Wer gerne über schlechtes deutsches Fernsehen schimpft, der schaue bitte diesen Film an und wundere sich nicht, dass er nach drei Stunden erschöpft und fasziniert gleichzeitig ist. Dieser Film kann locker mit hochgelobten internationalen Produktionen mithalten.

Das liegt sicherlich auch daran, dass die Parallelen zur Wirklichkeit so überdeutlich sind, trotzdem aber das Geschehen niemals dominieren. Es gibt den Bombenanschlag mit islamistischem Hintergrund; es gibt lange die Theorie vom Einzeltäter, die dann aber doch zusammenfällt. Es gibt einen Verfassungsschutz, der die Ermittlungen Prohaceks eher behindert als voranbringt. Man muss nicht weit blättern, um sich erinnert zu fühlen an all das, was wirklich geschah, an mangelhafte Ermittlungen in realen Fällen.

Der Titel Verlorene Sicherheit trifft dabei in vielerlei Hinsicht. Er bezieht sich auf die politische Lage, auf die Physis der Ermittlerin und die Rolle diverser Akteure. Dieser Film ist deshalb auch ein Plädoyer gegen falsche Gewissheiten. Nichts im Leben ist mehr so, wie es scheint. Nichts ist mehr sicher.

Unter Verdacht - Verlorene Sicherheit , ZDF, Samstag, Teil 1 um 20.15 Uhr, Teil 2 um 21.45 Uhr.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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