ZDF-Reportage:Das Grauen ist nicht vorbei

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Schwer zu ertragen, aber gerade deshalb ein wichtiger Film: Das ZDF hat einen Frontex-Einsatz der Bundespolizei begleitet. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Für eine ZDF-Doku hat ein Kamerateam deutsche Polizisten begleitet, die Flüchtlinge aus Seenot retten sollen - aber nicht immer können.

Von René Martens

Der Begriff Reporterglück ist relativ, gibt es doch gute Geschichten, die einem Reporter nicht gut tun. Für Deutsche Polizisten an Europas Grenzen über eine "dramatische Rettung in der Ägäis" (Untertitel) hat Torsten Mehltretter eine Truppe von Bundespolizisten um Kommissar Frank Rogatty aus Neustadt in Holstein begleitet. Zwischen der Türkei und der Insel Samos sollen sie die griechische Küstenwache unterstützen, etwa bei der Rettung von Flüchtlingen in Seenot.

Mehr als zwei Wochen, nachdem das EU-Abkommen mit der Türkei in Kraft getreten ist, dass Flüchtlinge vom Weg nach Europa abhalten soll, gehen Rogatty und seine Leute auf ihre letzte nächtliche Patrouillenfahrt. Was sie dabei erleben, "hat sämtliche Beteiligte traumatisiert", wie Mehltretter sagt. Nach einem eingegangenen Notruf entdecken sie mehrere Menschen im Wasser. Ein Mann, der sich ein Kind umgebunden hat, krallt sich am Geländer einer Schiffstreppe fest, die Polizisten haben Mühe, seinen Griff zu lösen. Außerdem bergen sie eine afghanische Frau, die im achten Monat schwanger ist.

Bilder ertrinkender Flüchtlinge sind schwer erträglich; trotzdem gut, dass das ZDF sie zeigt

"My son is dying", schreit eine andere Frau, die an Deck liegt. Der 13-Jährige wird reanimiert. Die Besatzung weiß nun kaum, was sie zuerst tun soll. Sämtliche Geborgenen brauchen Hilfe, gleichzeitig muss nach weiteren Menschen gesucht werden. Glück im Unglück: Ein Luxusliner kann die Verletzten aufnehmen und medizinisch versorgen.

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Doch das Grauen ist nicht vorbei: Das Kreuzfahrtschiff meldet, dass der wiederbelebte Junge es nicht geschafft hat. Später birgt die Besatzung eine tote Frau. Sie trägt ein "Death Jacket": Neppprodukte zu 13 Euro, die wie Rettungswesten aussehen, aber nur mit Verpackungsmaterial gefüllt sind - ein tödliches Schnäppchen. Die Bilanz: Von den 13 Menschen auf dem stabil wirkenden Boot haben fünf Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Irak überlebt. Und: ihr türkischer Schleuser.

Die Bilder sind teilweise schwer zu ertragen, trotzdem gut, dass das ZDF sie zeigt, weil man die Nachrichten von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer nur noch mit sehr gedämpftem Entsetzen zur Kenntnis nimmt. Auf diese Reportage indes kann man nicht routiniert reagieren. Dabei ersparen Mehltretter und Kameramann Axel Thiede dem Zuschauer noch einiges - während der Tragödie mussten sie teilweise selbst mit anpacken. Mehltretter: "Ich habe einen Mann mit hochgezogen und die Frau betreut, deren Sohn reanimiert wurde. Was soll man da groß sagen?" Der ZDF-Autor hat aus der Ägäis einen Film mitgebracht, der ihm mehr Aufmerksamkeit einbringen wird, als er sich vorher ausmalen konnte. Dennoch sagt er: "Wir hätten uns das gern erspart."

Deutsche Polizisten an Europas Grenzen , ZDF, Sonntag, 18 Uhr.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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