Wahlwerbung im Rundfunk:Zwergenaufstand

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Vor 60 Jahren hat das Verfassungsgericht entschieden, dass auch kleine Parteien im Fernsehen werben dürfen. Darum tauchen dort auch jetzt wieder Parteien auf, von denen man bis zur nächsten Wahl wenig hören wird.

Von WOLFGANG JANISCH

Der "Bund der Deutschen" war nur eine früh verglühte Sternschnuppe am Parteienhimmel, deutlich weiter links übrigens, als der Name vermuten lässt. Aber er hat es immerhin zu einem kleinen Eintrag ins Buch der Verfassungsgeschichte gebracht. Eine Beschwerde der Kleinpartei führte vor genau sechzig Jahren zur ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Wahlwerbung im Rundfunk.

Als Karlsruhe am 3. September 1957 seinen Beschluss mit dem Aktenzeichen 2 BvR 7/57 fasste, gab es jene Rundfunkstaatsverträge noch nicht, die den Parteien heute einen Anspruch auf Wahlwerbung einräumen. Der NDR hatte den Parteien freiwillig Radio-Sendezeiten auf UKW und - großzügiger - auf Mittelwelle gewährt. Die Minutenzahlen waren fein säuberlich nach der Bedeutung der Partei abgestuft. Nur der Bund der Deutschen kam nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht stellte schon damals jenen Grundsatz auf, der bis heute dazu führt, dass man in Wahlzeiten mal skurrile, mal bedenkliche Werbespots von Parteien besichtigen darf, von denen man bis zur nächsten Wahl nichts mehr hören wird: "Keinesfalls steht es den Organen des Rundfunks zu, Parteien, die zur Teilnahme an der Wahl zugelassen sind, von der Benutzung des Rundfunks auszuschließen, weil sie diese Parteien für zu unbedeutend oder gar für schädlich halten."

Eine Beschwerde führte vor genau sechzig Jahren zur ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Wahlwerbung im Rundfunk. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Den nächsten Gang nach Karlsruhe unternahm die FDP, die schon damals selbstbewusster war, als es die Wahlergebnisse nahelegten. Die Freidemokraten pochten vor der NRW-Landtagswahl auf dieselbe Sendezeit für alle - obwohl sie mit nur 15 Mandaten im NRW-Landtag saßen. Eigentlich ein nachvollziehbares Anliegen: Warum sollte man durch die öffentlich-rechtliche Werbezeit ausgerechnet die Parteien am stärksten unterstützen, die ohnehin schon groß waren? Das Verfassungsgericht indes wies die Beschwerde 1962 ab, vermutlich aus Pragmatismus. Den großen Parteien durfte mehr Raum eingeräumt werden.

Ein Karlsruher Beschluss, der in unseren Zeiten eines polarisierten Parteienspektrums wieder wichtig wird, stammt aus dem Jahr 1978. Es ging um kommunistische K-Gruppen, deren Werbespots den Sendern doch zu sehr nach Klassenkampf klangen. "Das bürgerliche Parlament ist eine korrupte Schwatzbude", es sollte von den "revolutionären Volksmassen" auseinandergejagt werden, fand die KPD/ML. Die Verfassungsrichter indes stellten den Grundsatz auf, dass im Wahlkampf mit harten Bandagen gekämpft werden darf. Mit dem Argument, ein Spot sei verfassungsfeindlich, lasse sich die TV-Werbung jedenfalls nicht verbieten. Die Sender dürfen nur wirklich offensichtlich rechtswidrige Spots ablehnen, im Zweifel hat die Parteienfreiheit Vorrang. Klarer Fall: Karlsruhe wollte die Intendanten nicht zu Zensoren der Wahlspots machen.

Ganz blöd war der K-Gruppen-Spot übrigens nicht. Er begann nämlich mit der Behauptung eines PR-Experten, er könne - wenn man ihm das nötige Geld gebe - "jeden x-beliebigen Trottel zum Präsidenten der Vereinigten Staaten machen". Damals fand man das vermutlich vollkommen abwegig.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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