Verlage:Männer mit Heft

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Die Chefredakteure des Magazins "Cicero" nehmen Ringier das Deutschlandgeschäft ab. Sie müssen zwei Titel rentabel machen, die für den Verlag vor allem Luxus waren.

Von Katharina Riehl und Claudia Tieschky

Berlin ist in diesen Tagen ein Ort der Kinoträume, aber abenteuerlicher als jeder Film ist das Unternehmen, das zwei Journalisten am Mittwoch in der Hauptstadt bekannt gaben. Christoph Schwennicke, 49, und Alexander Marguier, 46, gehen unter die Verleger. Chefredakteur und stellvertretender Chefredakteur von Cicero kaufen dem Schweizer Pressehaus Ringier das in Berlin erscheinende und bisher nicht rentable "Magazin für politische Kultur" ab.

Auch das Schwesterblatt Monopol , von Florian Illies und Amélie von Heydebreck ebenfalls 2004 gegründet, ist Bestandteil des Deals, dessen Preis nicht genannt wird. Hoch dürfte er nicht sein: Die beiden Titel gehen sogar "mit finanzieller Starthilfe von Ringier" in die neu gegründete Res Publica Verlags GmbH über, hießt es. Damit verkauft Ringier seine gesamte defizitäre Deutschlandsparte an die beiden Journalisten, die Cicero damit wohl auch vor dem drohenden Aus retten. Schwennicke sagte zur SZ: "Alexander Marguier und ich haben uns das sehr reiflich und gut überlegt, wir sind sehr froh, dass wir für diese beiden wunderbaren Objekte künftig verantwortlich sein dürfen." Das Geschäft wird zum 1. Mai wirksam.

Angekündigt ist auch, dass nun Stellen abgebaut werden - wie viele der 38 Mitarbeiter von Monopol und Cicero gehen müssen, verrät Ringier nicht. Zum Plan gehört, dass die Kosten für den Personalabbau den Neuanfang nicht belasten: Noch vor der Übernahme soll die Schrumpfung über die Bühne gehen. Ringier werde sich bemühen, "diese betriebsbedingten Kündigungen mit fairen Abfindungsangeboten sozial abzufedern", hieß es. Monopol-Chefredakteur Holger Liebs und Anne Sasse, Co-Geschäftsführerin von Ringier Deutschland, verlassen das Unternehmen.

Der "Blick"-Verleger konnte mit den Heften auch sein Image des Boulevard-Verkäufers aufbessern

Das etwas spröde Zitat, das aus Berlin und Zürich verbreitet wurde, lautet: "Erklärtes Ziel ist es, beide Titel - in Print und Online - mittelfristig finanziell zu konsolidieren und langfristig in eine erfolgreiche Zukunft zu führen." Konkret bedeutet das, dass Schwennicke und Marguier gelingen muss, was Ringier in zwölf Jahren nicht gelang: die Hefte, die Verleger Michael Ringier eher als Liebhaberobjekte betrachtete, wirtschaftlich solide aufzustellen. Dass sich die beiden eleganten Magazine für den Verlag finanziell nicht rechneten, war lange bekannt, Cicero verkauft monatlich insgesamt zwar gut 84 000 Hefte, am Kiosk sind es derzeit aber nur knapp 10 000 Stück. Bei Monopol, das Ringier 2006 übernahm, sind es laut Verlag etwa 35 000 Hefte, 10 000 davon Bordexemplare. Die Einstellung der Blätter scheint zuletzt sehr konkret im Raum gestanden zu sein.

Als Cicero gegründet wurde, sagte Michael Ringier im Tagesspiegel: "Cicero ist etwas, was kein Mensch braucht. Aber Geschichten, die einen berühren, von verschiedenen Seiten zu beleuchten, zu debattieren - das ist so notwendig wie das Lesen von Büchern. Niemand braucht ein Buch. Es zu lesen ist geistiger Luxus." Das war nur halb wahr, denn zumindest Ringier konnte Cicero sehr wohl brauchen; das Magazin half dem Blick-Verleger auch, vom Image des Boulevard-Verkäufers wegzukommen. Auch für die rot-grüne Bundesregierung war Cicero durchaus brauchbar. Das Magazin, bei dem der Publizist Frank A. Meyer von Anfang an eine tragende Rolle spielte, bot so etwas wie die Schaumeile des neuen, selbstbewussten Berliner Politbetriebs. Geführt wurde Cicero derweil zunächst von einem ausgewiesenen Konservativen: Der ehemalige Springer-Mann Wolfram Weimer hatte für die Idee des Blattes bei Ringier geworben und durfte es verwirklichen. 2010 wechselte Weimer glücklos zum Focus. Die Nähe zwischen den Schweizern und Gerhard Schröder aber überdauerte, der frühere Kanzler ist bis heute Berater bei Ringier.

Nach dem eher unglamourösen Weimer übernahm 2010 der publizistisch elegantere SPD-Mann Michael Naumann, bevor 2012 Schwennicke Chefredakteur wurde, ein versierter politischer Journalist mit Erfahrung bei Spiegel und SZ. Unter seiner Führung nahm Cicero politisch Fahrt auf und verlagerte sich von der eher künstlerisch-verspielten Verkaufe der Anfangszeit auf aktuelle Debatten - etwa mit einer Titelgeschichte über CDU-Hoffnung Julia Klöckner, deren Potenzial Cicero vor anderen benannte, mit Titeln zu Merkels Flüchtlingspolitik oder zu Wladimir Putin.

Seit 2011 gehört zu Cicero außerdem das früher eigenständige Magazin Literaturen, das Ringier erwarb, auch hier wieder ganz Mäzen der Künste. Marguier, der zuletzt etwa die CDU kritisierte, weil sie Angela Merkel in ihrer Flüchtlingspolitik gewähren lässt, war Leiter des Gesellschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, bevor er 2010 zu Cicero kam. Schwennicke und er lieben ihr Blatt offensichtlich nicht nur über alles, sie halten es auch für überlebensfähig.

Management-Buy-outs haben in der Vergangenheit immer wieder Titel in die Gewinnzone gebracht, die von ihren Verlagen aufgegeben waren. Zu den gelungenen Beispielen zählt das Wirtschaftsmagazin Brand Eins oder das Frauenheft Emotion, um das herum Katarzyna Mol inzwischen neue Titel auf den Markt gebracht hat.

Einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Bedeutung verdankt Cicero einer Geschichte, die sich in den Redaktionsräumen abspielte. Im April 2005 veröffentlichte das Heft einen Text des Journalisten Bruno Schirra, der unverhohlen aus einem geheimen Auswertungsbericht des BKA zitierte. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ließ daraufhin die Redaktionsräume und die Wohnung Schirras durchsuchen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Aktion 2007 für unzulässig, was als "Cicero-Urteil" in den Kanon der Rechtsprechung zur Pressefreiheit einging.

Ringier ist über das gemeinsame Osteuropageschäft eng mit Axel Springer verbunden, geprüft wurde zuletzt auch, Cicero und Monopol der Welt beizulegen. Dazu kam es nicht, wegen "unterschiedlicher Vorstellungen über die Positionierung und Vermarktung", wie es an diesem Mittwoch bei Ringier heißt. Klar war aber offenbar, dass etwas passieren musste. Man habe seit Herbst letzten Jahres "intensiv" über Sanierungsmöglichkeiten nachgedacht, sagt ein Ringier-Sprecher. Offenbar ohne durchschlagende Ideen. Eine Einstellung wäre "sicherlich die kostengünstigste Lösung gewesen, aber auch eine Lösung ohne Fantasie und ohne publizistisches Herz".

Schwennicke und Marguier brauchen jetzt mindestens die Kraft der zwei Herzen.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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