TV-Serie:Zum Lachen auf die Bühne

Lesezeit: 3 min

"I'm Dying Up Here" basiert auf einem Sachbuch und erzählt von den frühen Tagen der Stand-Up-Comedy in Los Angeles. Die Stärke dieser amerikanischen Serie: Die meisten Schauspieler sind selbst Komiker.

Von Benedikt Frank

Nachts um halb drei sitzen drei Komiker und eine Komikerin nach ihren Auftritten zusammen. Sie reden über Clay, Cassies Ex-Freund, der an diesem Abend bei Johnny Carsons The Tonight Show im Fernsehen zu sehen war. Als besondere Auszeichnung bat ihn der Moderator neben sich auf die Couch. "Jeder Auftritt", platzt es da aus Bill heraus, "ist einer mehr, den wir nicht bekommen." Wer nicht neidisch sei, der meine es nicht ernst mit der Comedy. Für einen kurzen Moment verschlägt es den anderen die Sprache, dann klatschen und johlen sie wieder wie gewohnt und ziehen ihren Kollegen mit dessen Anfall von Ernsthaftigkeit auf.

Die Showtime-Serie I'm Dying Up Here basiert lose auf einem Sachbuch von William Knoedelseder gleichen Titels, in dem er unter anderem die Karrieren späterer Comedy-Größen wie Jay Leno, David Letterman oder Robin Williams Mitte der Siebzigerjahre nachzeichnet. Statt bekannter Komiker treten in dieser Dark-Comedy-Serie jedoch vor allem fiktionale Charaktere auf. Jeden Abend sitzen sie im "Goldie's", dem wichtigsten Comedy-Club der Stadt, der Mitzi Shores legendärem "The Comedy Store" in Los Angeles nachempfunden ist. Wer groß rauskommen will, muss hier für das offene Mikrofon anstehen, darf, nachdem er sich bewährt hat, im Keller auftreten und mit viel Glück schließlich auf der Hauptbühne. Ohne Bezahlung: Goldie hält ihren Club für eine Schule.

Ohne sie geht es nicht: Goldie (Melissa Leo) bestimmt, wer in ihrem Comedy-Club auftreten darf. (Foto: Justina Mintz/Showtime)

Geschickt hält sie die Hoffnungen der vielen Spaßkünstler am Leben, denn ohne ihre Empfehlung schafft es niemand in Carsons Late-Night-Show. Clay nimmt dieses Ziel so ernst, dass er überzeugt ist, es könne nach dem Auftritt in der Tonight Show nichts mehr geben, wofür es sich noch zu leben lohnt. Für die meisten anderen Komiker ist dieses Ziel weit entfernt, sie halten sich mit miserablen Tagesjobs über Wasser.

Nicht nur optisch erinnert I'm Dying Up Here an die gescheiterte, von Martin Sorcese und Mick Jagger produzierte HBO-Serie Vinyl, nur dass diesmal Komiker Jim Carrey als Produzent die Serie mit seinem Namen bewerben durfte. Der Zeitrahmen der Siebzigerjahre ist der gleiche, beide Serien handeln vom Showgeschäft. Das Elend hinter der Bühne ist als Thema fast so alt wie dieses Geschäft selbst.

Mit der Zeit wandeln sich die Witze: Weniger Genitalien, mehr Selbstentblößung

I'm Dying Up Here betont diesen Unterbau etwas zu stark. Ihre Comedians seien ungefähr so stabil wie ein Waffenstillstand im Mittleren Osten, meint etwa Goldie. Dass Menschen, die sich mit dem möglichen Applaus als einzigem Lohn Abend für Abend öffentlich lächerlich machen, nicht nur ein extremes Bedürfnis nach Anerkennung haben, sondern auch allerlei Probleme mit sich herumtragen, ist keine allzu überraschende Erkenntnis.

Die Stärken der Serie liegen anderswo. Die meisten Schauspieler sind selbst Komiker und versuchen neben dieser Serie, sich im Geschäft zu behaupten, etwa durch Nebenrollen in Sitcoms. Sie stellen nicht nur Comedygeschichte nach, sondern bringen Erfahrungen ein, die man in ihrem Beruf auch heute noch ähnlich wie in den Siebziger Jahren machen dürfte. Das schafft eine Nähe und Wärme, die dem nach nur einer Staffel wieder abgesetzten Vinyl fehlte.

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Am Rande bekommen die Zuschauer immer wieder Ausschnitte aus Stand-Up-Nummern zu sehen, anhand derer man einen Humorwandel ausmachen kann: Von Gags über Genitalien und Minderheitenklischees hin zur Selbstentblößung der Comedians. Nur geschieht das nicht aus Perspektive der nach Unterhaltung gierenden Gäste, sondern aus Sicht der Komiker. Unter diesen herrscht angesichts der bescheidenen Lage aller zwar eine gewisse Grundsolidarität, auf der Bühne sind sie jedoch Konkurrenten. Der meist ironische Ton ihrer privaten Gespräche, ständige gegenseitige Sticheleien und das Austesten der Grenze, bis zu der all das noch Spaß ist, scheint Ausdruck dieses gelebten Gegensatzes zu sein.

Heute ist dieser Umgangston längst kein Alleinstellungsmerkmal von Komikern mehr. Durch die beliebten Fernsehserien der Almuni des realen "Comedy Stores" wie Jerry Seinfeld oder Chelsea Handler ist er allgegenwärtig geworden. Nachwuchskomiker müssen sich dafür heute nicht mehr von einer Clubbesitzerin bis zum Karrieredurchbruch ausbeuten lassen. Mit einer Webcam und einem Youtube-Konto kann er sich das ganz einfach selbst antun.

I'm Dying Up Here , Sky Atlantic, mittwochs, 21.45 Uhr.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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