TV-Neuauflagen:Fernsehfossilien

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Bezahlsender wollen mit neuen Folgen von alten Serien Zuschauer locken. Kein Wunder, dass Teile des Publikums glauben, es gäbe ein Recht auf Comebacks. Jüngstes Beispiel: "Die Dinos".

Von Benedikt Frank

Die Dinosaurier sind vor etwa 66 Millionen Jahren ausgestorben. Da sich zunächst niemand um ihre Öffentlichkeitsarbeit kümmerte, musste das Comeback der Riesenechsen so unglaublich lange warten, dass sie darüber sogar versteinerten. Rückblickend sollte sich gerade das als der beste PR-Coup der Geschichte erweisen, da Stein sehr viel langlebiger ist als andere Werbeträger und die Fossilien bis heute die Fantasie von Kindern, Erwachsenen und Fernsehmachern anregen. Die popkulturellen Wiedergänger der Saurier sollen sich heute allerdings nicht so lange ausruhen dürfen: Nur 23 Jahre nach der letzten Folge der Dinos, einer Puppenserie um den Berufs-Baumschubser Earl Sinclair und seine Dinosaurierfamilie nach einer Idee von Jim Henson, fordert eine Petition einen Neustart der Sitcom. Die Chancen auf Erfolg stehen nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie viele TV-Fossilien in den letzten Jahren eine Auferstehung feierten.

Dabei ist die Pause der Dinos sogar noch relativ lang. 2016 ging es unter anderem nach 14 Jahren mit Akte X weiter, die Gilmore Girls wurden nach neun Jahren wieder ausgegraben und die Science-Fiction-Serie Heroes durfte nur sechs Jahre ruhen, um kurz nach ihrer Wiederbelebung erneut begraben zu werden. Und in diesem Jahr geht es so weiter: David Lynchs Mystery-Serie Twin Peaks soll ab Mai mit einer dritten Staffel fortgesetzt werden. Mit der Actionserie Prison Break, erst 2009 eingestellt, soll es im April weitergehen. Und nach einem zehnminütigen Clip im September hat der Sender NBC in der vergangenen Woche für den Herbst eine neue Staffel der Sitcom Will&Grace angekündigt, die 2006 abgesetzt worden war. In Deutschland äußert sich das Retro-Phänomen etwa dadurch, dass RTL alte Spielshows wie Glücksrad oder Familienduell neu auflegt.

Kein Wunder also, dass Teile des Fernsehpublikums mittlerweile offenbar glauben, es gäbe eine Art Recht auf das Comeback der Lieblingssendung, das es einzufordern gilt. Wer nach den Worten "Petition", "Revival" und "Serie" googelt, findet Unterschriftenlisten etwa auch für die Teenie-Science-Fiction-Serie Roswell und die Achtzigerjahre-Zeichentrickserie Thundercats.

Die Petition für neue Folgen der Dinos wurde auf der Website change.org veröffentlicht, einer Plattform für politischen Aktivismus. Umfragen bei Change.org werden kritisch gesehen, weil online eine Unterschrift abzugeben, nur sehr wenig Hingabe bedarf. Folglich dient sie oft vielmehr der Versicherung der eigenen Haltung - wer unterschreibt, steht auf der richtigen Seite -, als dass dort wirklich politische Prozesse angestoßen würden. Dass es mit den Dinos weitergehen soll ist aber, anders als etwa Trump vom Feminismus überzeugen zu wollen, ein Ziel, das man durchaus erreichen kann.

Die Dinos sollen wiederkommen. Bisher genügt diese kurze Forderung knapp 20.000 Unterstützern und sie ist so einleuchtend, dass sie keiner weiteren Erklärung durch einen längeren Text bedarf. Dass solche Schlagzeilen funktionieren, wissen auch die PR-Strategen der Sender. Pay-TV-Anbieter und Streamingdienste wie Netflix setzen daher gerne auf die TV-Fossilien. Auch neuen Formaten gelingt es zwar immer wieder, Kritik und Publikum zu begeistern. Grundsätzlich ist die Produktion aber ein Risiko. Eine ganz neue Serie könnte nicht nur scheitern. Es ist auch teurer, sie bekannt zu machen.

Das beste Argument für neue Dinos-Folgen wäre für einen Senderverantwortlichen demnach nicht, dass ein paar Leute im Internet das fordern, sondern dass die Werbekampagne bereits läuft: jeden Tag, wenn die alten Folgen im Fernsehen wiederholt werden. Die Ankündigung einer Fortsetzung ist ein günstiger Werbetrick, um Leute, die sich etwa von einer Serie wie Breaking Bad nicht angesprochen fühlen, mit Altbekanntem zu locken, auf dass sie Abonnenten werden. Wenn das Versprechen, dass die neuen Folgen genauso gut werden wie die ersten, dann wie so oft nicht eingelöst wird, hat man bereits neue Zuschauer gewonnen, die nun nur noch für das restliche Programm begeistert werden müssen.

Die TV-Nostalgie klingt nach einem harmlosen Geschäft mit guten Erinnerungen. In Deutschland laufen die alten Folgen der Dinos etwa neben allerlei anderem Neunzigerjahrefernsehen auf dem Disney Channel, wohlgemerkt nach 21 Uhr. Die Zielgruppe sind also nicht die Zehnjährigen von heute, es sind die Zehnjährigen von damals, die heute über Dreißig sind und nun nach Feierabend in Kindheitserinnerungen versinken wollen. Das Retro-Programm bedient ein Gefühl, dass früher zumindest das Fernsehen besser war, womöglich auch andere Dinge.

Naheliegend wäre es also, hinter dem Konzept eine Art Unterhaltungs-Konservatismus zu vermuten. Der Inhalt mancher Neuauflagen spricht aber dafür, dass die Versuche, das Vergangene wieder Gegenwart werden zu lassen, nicht immer mit politischem Konservatismus gleichzusetzen sind. Will & Grace handelt von Homosexualität, das zehnminütige Mini-Comeback vom September spielte während des US-Wahlkampfs. Die Hauptfiguren überzeugen darin ihren Freund, für Hillary Clinton zu stimmen. Und auch bei den Dinos kann man trotz des prähistorischen Schauplatzes eine progressive Haltung entdecken. Das Finale der Serie war schon in den Neunzigern als Kommentar gedacht, ist aber unter dem neuen US-Präsidenten wieder aktuell: Die Dinos schaffen ihre eigene Klimakatastrophe, eine Eiszeit, den Grund für ihr Aussterben, während Trump heute den Klimawandel leugnet.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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