TV-Koch Vincent Klink:Frauengespräch in der Küche

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Paul Bocuse in Badehose, Tütensuppen und schwäbische Gemütlichkeit - TV-Koch Vincent Klink erzählt seine Geschichte.

Claudia Tieschky

Warum nicht einfach da anfangen, woher der Ton kommt, also im Südwesten. Vincent Klink, der 1991 in Stuttgart sein berühmtes Restaurant Wielandshöhe eröffnete, hört man an, wo er herkommt. "Stinknormales Schwäbisch", nennt er das. Das trifft aber nur ungenau, was sich da akustisch so alles vermittelt - in der Fernsehsendung Koch-Kunst mit Vincent Klink (SWR) oder im ARD-Buffet oder bei den Hörbuchaufnahmen, die er auch gemacht hat.

Kopfschüttelnd und tief nachdenklich: TV-Koch Vincent Klink. (Foto: Foto: dpa)

Sein Sound drückt stets innigste Hingabe an die Sache aus, um die sich Klinks Hirn gerade kümmert. Zum Beispiel in der Geschichte von der Hochzeitsreise an die Côte d'Azur, wo sie so lange die vom Vater aufgedrängten verdammten Kalbszungen aufaßen, bis die junge Ehefrau Elisabeth das Zeug ins Meer schmiss und sich so endlich alle den französischen Genüssen zuwenden konnten. Aber das Meer - und wenn Klink diese Geschichte liest, schwingen Demut und Staunen in seiner Stimme - das Meer war offenkundig mit der Frau verschworen und es wollte die schwäbischen Kalbszungen auch nicht, denn sie kamen alle wieder zurück an den Strand gespült.

"Kaddaschtroofe"

Dass Kochen im Fernsehen immer so merkwürdig wirkt, hat damit zu tun, dass es logischerweise eine große Schauspielerei ist: Der Zuschauer weiß ja nicht, wie es wirklich schmeckt. Aber Klink, 61, der seinen Michelin-Stern im Alter von 29 Jahren erhielt, würde auch niemals in einer Fernsehsendung "Lecker!" schreien. Wenn bei der SWR-Kocherei mal etwas vollkommen danebenneht, dann sagt er, kopfschüttelnd und tief nachdenklich: "Kaddaschtroofe".

Es ist bekannt, dass das Schwäbische an sich, das Katholische zumal, keine schlechte Ausgangsgegend für einen Koch ist; vielleicht liegt es an der Nähe zu den Genüssen Frankreichs oder vielleicht am Einfluss der Habsburger im damaligen Vorderösterreich. Jedenfalls hat Klink jetzt seine Erinnerungen als Koch in einem Buch aufgeschrieben, das unter anderem auch viel über den deutschen Südwesten erklärt. Es heißt Sitting Küchenbull - Gepfefferte Erinnerungen eines Kochs (Rowohlt, 224 Seiten, 19,90 Euro). Man erkennt darin das Leben des jungen Vincent in Schwäbisch Gmünd als Heranreifen in einer sehr speziellen Welt, in der die Zubereitung von gutem Essen eine wichtige Rolle spielt.

So schildert Klink den heftigen allseitigen Stress bei den Hausschlachtungen um fünf Uhr früh, bevor zur Vesper um zehn die ersten Würste und die Metzelsuppe probiert wurden. "Im Grunde", folgert er, "lief die ganze Hektik darauf hinaus, den Zeitpunkt für dieses Zeremoniell schwäbischer Gemütlichkeit nicht zu verpassen." Patriarch ist der Großvater, ein pensionierter Altphilologe mit allerhand weltanschaulichen Schrullen, der außerdem das Kornett bläst und "irgendwie Gary Cooper ähnelte". Kurzum: es handelt sich um eine Welt voller Käuzle, in der eisenharte Rituale irgendwie die perfekte Tarnung für totale Anarchie abgeben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Paul Bocuse in Badehose am Restaurant entlangsurfte.

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Einer, der so aufwuchs, konnte vielleicht niemals auf Dauer ein Jünger der reinen Lehre von der Nouvelle Cuisine bleiben - obwohl Klink einer ihrer ersten Anhänger war. Später schuf er daraus seinen eigenen Purismus mit klassischen, mediterranen und regionalen Elementen. Den 1990 verstorbenen scheuen Nouvelle-Cuisine-Meister Alain Chapel muss Klink, so erfährt man in dem Buch, aus der Ferne geradezu verehrt haben.

Paul Bocuse dagegen, der ihm einmal nach einem Mahl auf seiner monströs verzierten Jahrmarktsorgel vorspielte, muss ihm eher vorgekommen sein wie einer der Verrückten von daheim: Beim eiskalten Jahrhunderthochwasser der Saone, berichtet Klink, stellte sich der berühmte Franzose in Badehose auf ein Surfbrett und sauste an seinem Restaurant entlang. Großartig.

Sitting Küchenbull ist der Form nach eine Biografie im klassischen Sinn, das Buch arbeitet sich über die Lehrzeit bei Rudolf Katzenberger im Adler in Rastatt und die Jahre im Münchener Restaurant Humplmayr langsam an die Gegenwart ran. Was Klink aufgeschrieben hat ist außerdem für Interessierte eine kundige kleine Geschichte der deutschen Küche: von der Hausschlachtung zur Tütensuppe - und zurück zu unverfälschten Qualitätsprodukten.

"Lebensmittel für Hirn und Wanst"

Viele Köche, vor allem Fernsehköche, schreiben heutzutage Bekennerprosa über Kindheit und Jugend. Der erste, der richtig wahrgenommen wurde mit seiner Biografie, war der Amerikaner Anthony Bourdain. Vincent Klink memoriert sein Leben in Form eines Schelmenromans. Jedenfalls weiß man schon nach ein paar Seiten genau, warum Klink der einzige deutsche Spitzenkoch ist, der sich auch einen Ruf als Publizist erworben hat. Er kann schreiben.

Gemeinsam mit Wiglaf Droste gibt Klink seit elf Jahren in der Edition Vincent Klink die Zeitschrift Häuptling eigener Herd heraus. Sie erscheint alle drei Monate (Untertitel: "Lebensmittel für Hirn und Wanst") und versorgt nach eigenen Angaben etwa 1000 Abonnenten und zwischen 500 und 800 Käufer, die das Heft in guten Buchhandlungen finden.

Entdecker und Aufschreiber der Welt

Wiglaf Droste und Vincent Klink haben dann schnell zu einer Arbeitsteilung gefunden. Droste hat für seine Prosa Preise gewonnen, aber er singt auch sehr schön, und im Häuptling veröffentlicht er eine ganz bemerkenswerte Lyrik. Klink selber steuert zwar in jeder Ausgabe die Rezepte bei, aber er war hier schon immer weniger nur der Koch, als vielmehr ein Entdecker und Aufschreiber der Welt. In der aktuellen Ausgabe zum Beispiel bringt er dem Leben und Werk des 1943 gestorbenen russischen Malers Chaim Soutine nahe; vor zwei Jahren füllte seine Forschungsreise in das Leben von Neapel den größten Teil eines der Hefte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite von der kulinarisch getarnten Freidenker-Veranstaltung.

Der Häuptling hat keine Ähnlichkeit mit Zeitschriften wie dem Feinschmecker oder Essen und Trinken, Lebensmittelfotografie ist seinen Schöpfern ganz offensichtlich ein Gräuel, und wahrscheinlich muss man nicht mal kochen können, um am Häuptling Gefallen zu finden. Da schreiben Autoren wie Günter Herburger, Franz Dobler, James Hamilton-Paterson, Joseph von Westphalen, Thomas Gsella, Fanny Müller oder Fritz Eckenga.

In der aktuellen Nummer beschreibt Hamilton-Peterson die Fahrt in einem russischen Tiefseeboot, Dobler reimt tief gesättigt über religiöse Fanatiker aller Art: "Ich bin so voll, voll, voll/ Ich hab sie alle gefressen". Und Thomas Bodmer, der von Zürich aus das Ganze als Lektor überhaupt zusammenhält, hat eine fabelhafte Short Story der britischen Schriftstellerin und früheren Vogue-Redakteurin Helen Simpson übersetzt.

Gerne heiter und manchmal vom Wein erwärmt

Wiglaf Droste sagt es so: Im Häuptling stehen "Geschichten, die vom Essen inspiriert sind und darüber dann zügig und weit hinausgehen". Man könnte auch sagen: In Wirklichkeit ist der Häuptling seit Jahren nichts anders als eine kulinarisch getarnte Freidenker-Veranstaltung, in der auch mal schön deftige Sätze stehen dürfen.

Es geht gewissermaßen ein bisschen zu wie bei ordentlichen Frauengesprächen in der Küche: streitbar, gerne heiter und manchmal vom Wein erwärmt. Im Häuptling schreiben zugegebenermaßen zwar vorwiegend Männer, aber irgendwie tun sie es alle nach dem sehr vernünftigen Prinzip, das Klink einmal in seinem Buch erkennt: "Ohne flankierende Spinnereien können Männer keine Großtaten bewältigen."

© SZ vom 08.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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