Studie zum Medienmisstrauen:"Gravierender Anstieg"

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Der Journalismusforscher Kim Otto hat Daten der Europäischen Kommission zum Medienvertrauen ausgewertet. Die Ergebnisse verblüffen: Viele junge Menschen glauben den Medien nicht.

Interview von Sebastian Jannasch

Wie steht es wirklich um das Vertrauen der Deutschen in die Medien? Ein Journalismusforscher hat Daten der Europäischen Kommission ausgewertet. Die Ergebnisse wurden gerade veröffentlicht.

SZ: Herr Otto, wer misstraut hierzulande den Medien am stärksten?

Kim Otto: Das Vertrauen hat im vergangenen Jahr insgesamt abgenommen. Im Vergleich zu 2014 stieg der Anteil derjenigen, die der Presse misstrauen, von 45 auf 49 Prozent. Das Vertrauen gegenüber dem Rundfunk ist größer, aber es sank ebenfalls. Wichtig ist, dass es nicht allgemein die Deutschen sind, die den Medien mit Skepsis begegnen. Vielmehr lässt sich das sinkende Vertrauen auf wenige Gruppen in der Bevölkerung zurückführen.

Welche Gruppen sind das?

Vor allem Menschen, die ihre wirtschaftliche Lage als schlecht bewerten, und jene, die Parteien und demokratische Institutionen kritisch sehen, stellen auch die Presse infrage. Für sie sind die Medien Teil des Systems, des Establishments, das sie ablehnen. Wirklich überrascht hat mich allerdings, dass bei den jungen Leuten das Misstrauen gegenüber den Medien am größten ist. Fast 63 Prozent der 25- bis 34-Jährigen vertrauen der Presse nicht, 2014 war noch weniger als die Hälfte in der Altersgruppe skeptisch eingestellt. Das ist ein gravierender Anstieg.

Wie lässt sich das erklären?

Das müssen wir noch genauer untersuchen. Viele junge Menschen lesen die gedruckte Presse ja gar nicht mehr, sondern beziehen Nachrichten vor allem im Internet. Dort sind viele Informationen ungeprüft. Ich vermute, dass viele junge Leute Widersprüche zu den Berichten der traditionellen Medien feststellen, was ihr Misstrauen weckt.

Woher kommt dann aber der sprunghafte Anstieg des Misstrauens 2015? Das Internet gab es schließlich schon vorher.

Das stimmt. Darauf geben die Daten keine eindeutige Antwort. Klar ist aber, dass 2015 ein besonders politisches Jahr war, in dem die Debatten polarisiert waren und die Rolle der Medien in den Vordergrund rückte. Die Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine hat den Vorwurf der Lügenpresse aufgebracht. Die Flüchtlingsdebatte hat Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Presse genährt.

Also ist das Misstrauen am rechten Rand besonders gewachsen?

Ja, mehr als 82 Prozent der relativ kleinen Gruppe, die sich selbst dem rechten politischen Spektrum zuordnen, misstrauen den Medien. Die Auswertung zeigt auch, dass Menschen, die sich gegen die Hilfe für Flüchtlinge aussprechen, zum allergrößten Anteil den klassischen Medien nicht glauben.

Wie lässt sich Vertrauen zurückgewinnen?

Indem Journalisten ihre Arbeit ordentlich machen und selbstbewusst zu ihrer Berichterstattung stehen. Von einer dramatischen Vertrauenskrise kann auch gar keine Rede sein. In den vergangenen 20 Jahren gab es schon erheblich schlechtere Werte. Schwankungen sind nicht ungewöhnlich. Medienmacher haben also keinen Grund zur Panik.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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